?sterreich: Für Humanit?t gegenüber Migranten
In den letzten Jahrzehnten habe sich die öffentliche Diskussion rund um Migration, Flucht und Asyl verschärft und negativ emotionalisiert. ?Nicht selten steckt dahinter das politische Kalkül, damit bei Wahlen zu punkten“, hielten die Bischöfe in einer Erklärung am Freitag zum Abschluss ihrer Herbstvollversammlung im niederösterreichischen Kloster Laab im Walde fest.
Diese Entwicklung sei gefährlich und widerspreche dem Grundauftrag von Politik. ?Politisch Verantwortliche stehen in der Pflicht und werden dafür gewählt, Probleme im Blick auf das Gemeinwohl zu lösen“, betonten die Bischöfe. Eine Versachlichung der Debatte sei daher dringend nötig. ?Es braucht den realistischen Blick auf Fakten, Chancen und Lösungen, statt die emotionale Fixierung auf Probleme.“ Unbestritten sei, ?Migration nach Österreich braucht Ordnung und klare Regeln“, so die Bischöfe. Das gelte sowohl im Bereich der Arbeitsmigration, wo mehr und passgenauere Möglichkeiten geschaffen werden müssten, als auch im Bereich Asyl.
?Resettlement-Programme wieder aufnehmen“
Das Recht auf Asyl ist derzeit meist nur durch den irregulären Zutritt ins Staatsgebiet möglich, weshalb die Schaffung legaler Fluchtkorridore von zentraler Bedeutung ist, so das Episkopat. Dadurch könne besonders vulnerablen Geflüchteten, etwa schwangeren Frauen, Kindern, älteren und chronisch kranken Menschen, geholfen werden. In Österreich wurde das letzte Humanitäre Aufnahmeprogramm, mit dem u.a. syrische Christen und jesidische Frauen in Sicherheit gebracht wurden, bereits 2017 beendet. ?Angesichts zunehmender Krisen- und Konfliktherde weltweit ist eine Neuaufnahme von Resettlement-Kontingenten daher angebracht“, forderten die Bischöfe.
Das Migrationsthema löse bei vielen Menschen starke Emotionen aus, diese gelte es ernstzunehmen. Der persönliche Kontakt und Austausch zwischen Zugewanderten und Einheimischen, zwischen Neuangekommenen und schon länger Ansässigen, müsse gefördert werden. Begegnung sei die beste Basis, um Vorurteile abzubauen und die Menschlichkeit des anderen ins Zentrum zu stellen, so die Bischöfe. Erfolgreiche Integrationsprojekte in vielen Kirchen und Gemeinden österreichweit zeigten, wie Ankommen und Teilhabe gelingen können.
Aufenthaltsperspektive für Ukrainer
In der Zweiten Republik habe Österreich eine beeindruckende humanitäre Kultur entwickelt, verwies die Bischofskonferenz auf Fluchtbewegungen nach Österreich aufgrund von Krisen und Kriegen in der Nachbarschaft, etwa in Ungarn, der Tschechoslowakei, Polen oder Ex-Jugoslawien. Gleiches müsse jetzt auch für Kriegsvertriebene aus der Ukraine gelten. Auch sie bräuchten eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive in Österreich, denn eine baldige Rückkehr sei aufgrund des Kriegsgeschehens in der Heimat nicht absehbar.
Ukrainerinnen sollten bei der Arbeitsmarktintegration zielgerecht unterstützt werden, indem ihre finanziellen Grundbedürfnisse gedeckt werden, so die Bischöfe. ?Sie brauchen einen raschen Zugang zu (weiterführenden) Deutschkursen und die Anerkennung ihrer mitgebrachten Qualifikation, damit sie einer möglichst passgenauen beruflichen Tätigkeit in Österreich nachgehen können.“
?Der Einsatz für Menschen in Not gehört zum Kern des Evangeliums“, so die Bischöfe. ?Die Bibel ist voll von Geschichten von Menschen, die zur Flucht gezwungen werden oder aufbrechen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Damals wie heute müsse sich jeder einzelne und die ganze Gesellschaft dieser Realität stellen. "Der Umgang mit Menschen in Flucht oder Migration sei somit ?eine Bewährungsprobe für Humanität und Christlichkeit im persönlichen und gesellschaftlichen Leben“.
Erschütterung über Lage im Heiligen Land
Bei ihrer Vollversammlung hat sich die Bischofskonferenz auch mit dem Krieg im Heiligen Land beschäftigt. Sie äußern sich ?zutiefst erschüttert“ über das aktuelle Ausmaß der dort entfesselten Brutalität und Gewalt. Die Erklärung bekundet Mitgefühl mit den Menschen in Israel – ?mit den Jüdinnen und Juden, den Verwundeten, Traumatisierten, den Familien, die Tote zu beklagen haben, den Geiseln und ihren Angehörigen“. Ihr Mitgefühl gelte auch, so die Bischöfe, den vielen unschuldigen Opfern auf palästinensischer Seite: ?den toten und verwundeten Kindern, Frauen und Männern sowie den vielen Geflüchteten, die vor dem Nichts stehen“.
Die Terroranschläge der Hamas, die die jüngste Gewalteskalation einleiteten, verurteilte die Bischofskonferenz entschieden: ?Die unfassbaren Morde an Zivilisten und die Geiselnahmen sind durch nichts zu rechtfertigen“. Wer solche Verbrechen verübe, handle sicher nicht im Sinne des palästinensischen Volkes. Die Bischöfe betonen das Existenzrecht Israels und das Recht, sich zu verteidigen. Mit Papst Franziskus fordern auch sie die umgehende Freilassung der Geiseln der Hamas sowie eine Feuerpause zur Ermöglichung humanitärer Hilfslieferungen nach Gaza.
Mit großer Sorge blickt der Episkopat auf das israelisch-libanesische Grenzgebiet und ins Westjordanland: Mit einer weiteren Eskalation hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht. Besorgniserregend seien zudem Berichte aus dem Westjordanland und Ostjerusalem, wonach ?Extremisten gewaltsam gegen palästinensische Zivilisten vorgehen“, darunter auch Christinnen und Christen. Die Bischöfe bekunden ?allen, die unter der furchtbaren Situation im Heiligen Land leiden“, ihre Nähe.
Solidarität mit Flüchtlingen aus Berg-Karabach
Auch auf das Drama um Berg-Karabach geht die Abschluss-Erklärung der Vollversammlung ein. Die Bischöfe zeigen sich solidarisch mit den vertriebenen und geflüchteten Armeniern und warnen vor ihrer schwierigen humanitären Lage. Besonders betroffen seien die 30.000 Kinder unter den Geflüchteten, die in den vergangenen zehn Monaten Unvorstellbares erlitten hätten: zuerst eine neunmonatige Blockade ihrer Enklave, dann die Vertreibung. ?Sie wurden in einer großer Solidaraktion in Armenien aufgenommen, brauchen nun aber weitere Hilfe“, heißt es wörtlich in der Erklärung.
Die Bischofskonferenz ruft die internationale Staatengemeinschaft zur Unterstützung auf, um eine weitere humanitäre Katastrophe zu vermeiden und die bestehende zu lindern. ?Wir dürfen die Geflüchteten aus Berg-Karabach und die Armenier, die sie aufgenommen haben, nicht im Stich lassen“, so die Bischöfe, die im Rahmen ihrer Herbstvollversammlung mit dem armenisch-apostolischen Bischof Tiran Petrosyan zusammengetroffen waren. Petrosyan informierte beim Treffen u.a. über die aktuelle Lage in Armenien und Berg-Karabach.
Für Freilassung der Kriegsgefangenen
?Die armenische Enklave Berg-Karabach hat faktisch aufgehört zu existieren. Wir sind zutiefst besorgt über die Entwicklung in der Region“, so die Bischöfe weiter. Kritik üben sie dabei an der Waffengewalt Aserbaidschans, die unter den ?Augen der Weltöffentlichkeit“ stattgefunden habe und ?einen seit Jahrtausenden bestehenden armenischen Kulturraum entvölkert“ habe. Zudem gebe es Warnungen, wonach Aserbaidschan auch den südlichen Teil Armeniens erobern wolle, ?um eine Landverbindung zur Enklave Nachitschewan herzustellen“.
?Jede neue kriegerische Aggression wird unzählige weitere Tote, Verwundete und Vertriebene mit sich bringen“, befürchten die Bischöfe und rufen die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, mit geeigneten Mitteln der Eskalation ein Ende setzen. Laut den österreichischen Bischöfen sollen sich noch mehr als 1.000 armenische Kriegsgefangene in Aserbaidschan befinden, über deren Verbleiben keine Informationen vorliegen. ?Wir fordern deren Freilassung“, so die Bischöfe wörtlich.
Erinnerung an den Genozid an Armeniern
Sorge bereite zudem die Auslöschung des christlichen Erbe Berg-Karabachs, das bis ins vierte Jahrhundert zurückreicht. Auch hier müsse die internationale Staatengemeinschaft einschreiten, ?die bisher zu wenig Engagement für Berg-Karabach gezeigt hat“. Die Bischöfe erinnern auch an den Genozid an Armeniern vor über 100 Jahren: ?Damals wie heute fühlt sich das armenische Volk von der Staatengemeinschaft alleine gelassen“.
Einmal mehr verurteilen die österreichischen Bischöfe auch den russischen Angriffskrieg und die bewusste Zerstörung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine. Sie rufen vor allem mit Blick auf den bevorstehenden Kriegswinter zu mehr Hilfe für die Menschen im überfallenen Land auf.
Zufrieden mit synodalem Prozess
Zufrieden zeigen sich die Bischöfe mit dem Verlauf des weltweiten synodalen Prozesses. Die Synodenversammlung in Rom habe eindrucksvoll gezeigt, ?wie es innerhalb der Weltkirche möglich ist, auch bei unterschiedlichen Auffassungen und über Kulturgrenzen hinweg wertschätzend ein Gespräch zu führen und dabei zu Ergebnissen zu kommen“. Diese Haltung könne auch einer ?polarisierten und nervösen Gesellschaft“ helfen, wieder mehr zueinanderzufinden. An die Gläubigen richten die Bischöfe die Aufforderung: ?Üben wir uns weiter ein in diese Haltung, um als synodale Kirche gemeinsam zu erkennen, was Gott uns heute sagen will.“
Auch wenn es noch keine konkreten Vorgaben aus dem vatikanischen Synodensekretariat für die weitere Vorgangsweise gebe, laden die Bischöfe ein, sich mit dem Synthese-Bericht auf ortskirchlicher Ebene intensiv zu befassen; sie empfehlen ?Anhörkreise“, um das ?Gespräch im Geist“ als eine strukturierte Form des Redens, Zuhörens, Schweigens und des Austausches praktisch zu erproben. Erfolgen könne dies in den Diözesen, Pfarren, geistlichen Gemeinschaften, auf Ebene schon bestehender Gremien oder bei anderen Zusammenkünften im zivilgesellschaftlichen Rahmen.
Bischöfe empfehlen ?Anhörkreise“
Bei der Behandlung des Synthese-Berichts solle es auch darum gehen, die zahlreichen Themen zu priorisieren und zu vertiefen, wiesen die Bischöfe hin. Als zentrale Anlaufstelle für Rückmeldungen fungiert das bereits seit zwei Jahren bestehende nationale Synodenteam unter der Leitung von Erzbischof Franz Lackner, nun erweitert durch die Linzer Pastoraltheologin Klara-Antonia Csiszar, die als theologische Beraterin an der Synodenversammlung im Vatikan teilnahm.
(kap – sk)
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