Westerhorstmann: Im Sinn der Einheit an den Papst geschrieben
Pope: Prof. Westerhorstmann, wie kamen Sie denn eigentlich auf die Idee, dem Papst nochmal einen Brief zu schreiben? Es ist ja schon der zweite Brief, den Sie geschrieben haben, auf den ersten ist allerdings keine Antwort bekannt. Was können Sie uns denn zum Hintergrund sagen?
Prof. Katharina Westerhorstmann (Prof. für Theologie und Medizin-Ethik an der Franziskaner-Universität Steubenville – USA): ?Wir haben gesehen, dass die Entwicklungen in Deutschland nach dem Synodalen Weg weitergehen und haben gleichzeitig natürlich auch die Intentionen aus Rom wahrgenommen. Also wollten unserer Sorge Ausdruck verleihen, und zwar dem Papst gegenüber, der natürlich in seiner Leitungsfunktion in gewisser Hinsicht auch eine letzte Verantwortung hat. Und wir selbst haben unsere Verantwortung als Laien, als Frauen in der Kirche, darin gesehen, ihm unsere Sorgen mitzuteilen, weil er ja doch immer sehr interessiert ist, auch aus den Ortskirchen die Rückmeldung zu bekommen.“
Pope: Gibt es denn einen speziellen Grund für den Zeitpunkt des Briefes?
Westerhorstmann: ?Der Zeitpunkt war nicht spezifisch gewählt, aber es ist natürlich schon so, dass uns der Beginn des synodalen Ausschusses besondere Sorge bereitet hat, weil wir uns gefragt haben, wie wird denn auf die Interventionen, die aus Rom kamen, reagiert. Man hatte den Eindruck, es wird eher ignoriert. Und das hat uns ratlos gemacht und auf der anderen Seite auch dazu bewegt, uns an den Papst zu wenden.“
Eine riesige Überraschung
Pope: Ja, nun hat der Papst ja sogar auch geantwortet, und zwar mit dem Datum 10. November. Haben Sie denn mit dieser Antwort gerechnet und wie finden Sie diese, so wie überhaupt die Tatsache, dass er Ihnen persönlich geantwortet hat?
Westerhorstmann: ?Ja, ich gebe zu, das war für uns natürlich eine riesige Überraschung. Zum einen so schnell: Der Brief ist am Mittwoch, 8. November, im Vatikan angekommen, und dann ein Antwortschreiben zu bekommen, das auf den 10. November datiert ist, damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Und wir haben uns natürlich gefreut, dass der Papst das ernst genommen hat, einen solchen Brief ernst genommen hat und auch in dieser Klarheit und Verbindlichkeit geantwortet hat. Denn man hat den Eindruck, es ist ihm wirklich auch ein Anliegen, nicht nur eine lästige Pflicht. Ich finde, vor allem im zweiten Teil hört man seinen Ton wirklich heraus. Wo es darum geht, eine Perspektive einzunehmen, die Armen in den Blick zu nehmen und den Fokus ein bisschen zu korrigieren. Also ich bin sehr dankbar für den Brief, für die Ernsthaftigkeit, die Verbindlichkeit und auch die Klarheit dieses Briefes.“
Pope: Haben Sie den Eindruck, der Papst wollte, dass der Brief dann auch, wie es ja geschehen ist, veröffentlicht wird, obwohl es ein persönlicher Brief ist?
Westerhorstmann: ?Ich habe mich das gefragt und deswegen haben wir zur Sicherheit noch mal nachgefragt. Wir haben uns an den Vatikan gewandt, ob es im Sinne des Heiligen Vaters ist, dass dieser Brief veröffentlicht wird, und haben darauf eine positive Antwort bekommen. Sonst hätten wir den Brief nicht veröffentlicht. Ganz klar. Die Frage, ob es ihm ein Anliegen ist, dass er öffentlich wird, obwohl er an vier Personen geschrieben hat? Mein Eindruck ist, dass ihm dieser Dialog wichtig ist, also nicht nur ein Statement nach Deutschland zu schicken, auf die Art ,Wir sind dagegen‘, sondern auf etwas zu reagieren, was aus der Ortskirche kommt. Und das zeigt mir auch, dass er diesen Dialog möchte, dass er vielleicht sogar vor Augen hat, wie zu Beginn der Kirche in Briefform auf Situationen in Ortskirchen reagiert wurde. Das weiß ich natürlich nicht. Aber was mir wichtig zu sein scheint, ist, dass er diesen Dialog möchte und es bevorzugt, auf diesem Weg zu kommunizieren, was wir ja auch in anderen Teilen der Welt sehen dass er gerne in Briefform Dinge vermittelt und nicht nur ein Statement abgibt.“
Konflikte benennen heißt nicht Spaltung schüren
Pope: Was sagen Sie denn zu dem Vorwurf, der ja auch erhoben wurde, dass Sie mit Ihrem Brief dazu beigetragen hätten, eigentlich noch mal Konflikte zu schüren?
Westerhorstmann: ?Das überrascht mich eher. Wenn man einer Sorge Ausdruck verleiht, liegt das ja daran, dass es Konflikte gibt und dass es auch Uneinigkeit gibt darüber, wie man sich den Weg der Kirche in Deutschland in der Zukunft vorstellt. Und dies erst mal zu benennen, ist ja kein Akt der Spaltung, vor allem, wenn man sich an jemanden wendet, der direkt in der Verantwortung steht. Das scheint mir doch eher der direkte Weg zu sein und nicht irgendwie hintenherum oder so. Für mich ist es eher so - und ich weiß nicht, ob man das von außen sehen kann - aber es war unser Anliegen, dass wir uns gerade für die Einheit eingesetzt haben, dass wir gehofft haben, dass dies vielleicht ein Impuls sein könnte, wo wir ja überhaupt nicht mit dieser Antwort rechnen konnten, dass wir alle unter dem Dach zusammenbleiben müssen. Dass, auch wenn es verschiedene Perspektiven, verschiedene Anliegen, verschiedene Vorstellungen davon gibt, wie die katholische Kirche in der Zukunft sein soll, dass wir unter einem Dach zusammenbleiben müssen. Und das ist nun mal auch das Amt des Petrus, das ist letztlich die Kirche. Und wenn man den Eindruck hat, eine Ortskirche geht einfach weiter in eine bestimmte Richtung, die von der Leitung der Universalkirche so nicht gutgeheißen wird, besorgt mich das. Und wir haben uns im Sinne der Einheit eingesetzt und an den Papst geschrieben, nicht im Sinne der Spaltung.“
Pope: Ja, Sie haben auch von dem Impuls gesprochen für die Einheit, den Sie sich von dem Brief erhoffen. Wie werden Sie jetzt denn daran weiterarbeiten?
Westerhorstmann: ?Ich zum Beispiel habe keine Agenda in diesem Sinne. Ich bin in keinem Verband aktiv, ich bin in keiner Gemeinschaft, außer dass ich katholisch bin. Das heißt, ich werde mich weiterhin natürlich in der Kirche so engagieren, wie ich es kann an dem Ort, wo ich bin, in meinem Beruf, in meinem persönlichen Leben, in meinem Glaubensleben, ganz normal. Wir sind ja keine Gruppierung. Wir waren alle Delegierte der Deutschen Bischofskonferenz und haben uns so gewissermaßen gefunden. Aber wir sind keine Gruppe, das heißt, wir haben keine Pläne für die Zukunft.
Das Einzige, was ich weiterhin tun werde, das sage ich jetzt auch für mich persönlich: Ich werde weiter versuchen, mein Bestes zu tun dafür, dass die Kirche ihren Auftrag erfüllen kann. Dass wir als Katholikinnen und Katholiken das tun können, wozu wir berufen sind, individuell und als Gemeinschaft. Und dafür, finde ich, ist gerade der zweite Teil des Briefes eine Bestärkung, eine Erinnerung daran, dass wir in der Welt gerufen sind, die Nächstenliebe zu leben, den Herrn in den Armen zu suchen, und das ist etwas, woran ich mich selber auch immer wieder erinnern muss. Und für diese Ermutigung bin ich dankbar.“
Ermutigung und Impuls
Pope: Vielleicht noch einmal anders herum gefragt, was für positive Impulse könnten denn nun für die Einheit der Kirche in Deutschland aus diesem Papst Brief erwachsen?
Westerhorstmann: ?Ich meine, es ist nur ein Brief. Es gab zahlreiche Wortmeldungen aus dem Vatikan, aber diese Verbindung von Kritik, Sorge und dem Aufruf, sich auf das zu konzentrieren, wozu wir als Christen berufen sind, finde ich schon einen starken Impuls. Ich habe ein bisschen darüber nachgedacht, was der Papst mit der Verbindung von Gebet, Buße und Anbetung im Sinn hatte. Und ich musste bei der Buße natürlich an die Missbrauchsfälle denken. Buße muss immer auch praktisch sein, kann nicht nur Reflexion sein, muss praktisch sein. Und das muss ja ein wichtiges Anliegen bleiben, sich in diesem Zusammenhang auch für Wiedergutmachung einzusetzen, selbst wenn man es nicht wieder gut machen kann. Das Gebet ist, denke ich, die Einladung an die ganze Kirche, aber auch an jeden Katholiken, jede Katholikin, wirklich die Verbindung mit dem Herrn zu suchen und die Anbetung. Ich habe mich gefragt, warum er die Anbetung gesondert erwähnt hat. Vielleicht deshalb, um unseren Fokus auszurichten auf den, der tatsächlich die eigentliche Leitung hat, auf den, der wirklich im Zentrum stehen muss. Und das darf natürlich keine Ausflucht sein, dass man sich einfach nur irgendwie auf Jesus beruft, sondern tatsächlich in dieser Unterordnung unter den Willen Gottes, so wie man ihn erkennt und unter sein Wort. Und das werde ich die nächsten Wochen auf jeden Fall weiter bedenken. Und ich werde über diesen Brief noch viel nachdenken.“
Pope: Haben Sie denn auch aus den Reihen des Synodalen Wegs direkte Reaktionen bekommen? Hat dieser Brief, den Sie geschrieben haben und auf den Sie ja von höchster Stelle eine Antwort bekommen haben, in irgendeiner Form einen Dialog ausgelöst?
Westerhorstmann: ?Das ist eine gute Frage. Institutionell gesehen nicht. Also, wir haben von der ehemaligen Leitung des Synodalen Weges jetzt nicht direkt etwas gehört. Wir hatten uns aber ja auch nicht an sie gewandt. Wir haben den Brief hier einfach der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zum Beispiel nicht an die Bischofskonferenz oder an das ZdK gesondert geschickt. Das heißt, institutionell gesehen haben wir keine Antwort oder eine erneute Einladung zum Dialog erhalten. Ich habe natürlich sehr viele Rückmeldungen bekommen, jede von uns hat viele Rückmeldungen erhalten, aus allen Richtungen. Darunter sind positive Rückmeldungen, Dankbarkeit, Freude, eine Zustimmung zum Brief des Papstes, aber auch Kritik. Also die Frage, warum wir überhaupt diese Sorge hatten, warum wir sie gegenüber dem Papst ausdrücken wollten und uns dazu genötigt sahen. Da waren auch Personen dabei, die sich selber im Synodalen Weg engagiert hatten.“
Hintergrund
Die Theologin Katharina Westerhorstmann hatte gemeinsam mit der Theologin Marianne Schlosser, der Journalistin Dorothea Schmidt und der Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz in einem Brief an den Papst angesichts des deutschen Reformkurses ihre Sorge um die Einheit mit Rom zum Ausdruck gebracht. Der Papst hat zügig und schriftlich in einem von ihm persönlich unterschriebenen Brief geantwortet – und aus dem Vatikan kam auch die Bestätigung, dass der Brief veröffentlicht werden könnte.
Das Gespräch führte am Freitagmorgen Christine Seuss, bevor Medienberichte über ein weiteres Vatikanschreiben an die deutsche katholische Leitungsebene erschienen sind.
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