Wahlen in Polen: Wachsende Polarisierung, schw?chelnde Kirche und ungewisser Ausgang
Jonas Over – Vatikanstadt
?Das war die primitivste Kampagne, die ich je gesehen habe in Polen,“ fasste Zbigniew Nosowski den Wahlkampf zusammen. Er ist Chefredakteur der katholisch-liberalen Zeitschrift ?Wie??“ und sieht die liberale Demokratie durch die aktuelle Regierung in Gefahr. Die Themen konzentrieren sich laut ihm weniger auf Außen- sondern mehr auf Innenpolitik, vor allem die innere Sicherheit. Der zweite Experte des Abends, Tomasz Ociepka, Direktor des Analyse-Zentrums des Klub Jagielloński, beschrieb die voranschreitende Polarisierung: ?Die polnische Gesellschaft ist der Polarisierung überdrüssig, und das ist ein neues Phänomen.“ Die beiden etablierten großen Parteien, die konservative PiS und die liberale Bürgerplattform, würden nun eher von älteren Leuten gewählt, jüngere Menschen wendeten sich nun mehr kleineren Parteien zu, die nicht diesen aggressiven Wahlkampf fahren.
Kirche verliert an Bedeutung
Aus neusten Umfragen geht hervor, dass sich nur noch 70 Prozent der polnischen Bevölkerung zur katholischen Kirche zählen, was die Frage aufwirft, welche Rolle die Kirche noch in der Gesellschaft und damit in der bevorstehenden Wahl einnimmt. Die Institution Kirche ist nach wie vor noch sehr eng mit der PiS Partei verbunden, führte Nosowski aus. Doch es gebe eine Diskrepanz zwischen der Vorstellung, die die Kirche selbst von sich hat und ihrer wirklichen Bedeutung: ?Es kann mit der Frage auf den Punkt gebracht werden: Wer kümmert sich um die Kirche?“ So wurde vor kurzem ein Dokument veröffentlicht mit dem Titel ?Leitlinien eines katholischen Wählers“, es soll jedoch so gut wie keinen Niederschlag in der politischen Debatte gefunden haben. Ociepka führte weiter aus, dass dies auch kein neues Phänomen sei. So wurden in den 90er Jahren bereits Kandidaten gewählt, die von der Kirche keine Rückendeckung hatten. ?Für mich sieht es also so aus, als ob die Bischöfe glauben, dass das, was sie sagen, für die politischen Ergebnisse wichtig ist, und dass die Politiker diese Ansicht teilen. Aber die Wähler tun das nicht.“
Ungewisser Wahlausgang
Nosowski sagte, dass er sich vorstellen könne, dass die anstehende Wahl wiederholt werden muss. Eben weil viele polnische Bürger der Polarisierung überdrüssig seien und jüngere Menschen wohl eher kleinere Parteien wählen werden: ?Ich erwarte eine Pattsituation. Nach den Wahlen sind die Parteien nicht in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden, und es kommt zu einer Art vorübergehender Minderheitsregierung und Neuwahlen innerhalb von 3 bis 6 Monaten.“
(vatican news - jo)
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