D: Kooperativer Reli-Unterricht in Thüringen
Darüber sprach das Kölner Domradio mit der Schulreferentin des Bistums Erfurt, Veronika Wenner.
Interview
In konfessionellem Religionsunterricht, katholisch und evangelisch, soll es nicht bloß um die Vermittlung von Bibelwissen gehen, sondern auch um eine Heranführung an ein Bekenntnis. Wie ist das möglich, wenn Sie das jetzt konfessionsverbindend machen?
Veronika Wenner (Schulreferentin Bistum Erfurt): Es gibt in beiden Religionsunterrichten viele christliche Gemeinsamkeiten. Natürlich werden bei der Kooperation auch Unterschiede deutlich. Wenn ich mal auf das Thema Heilige, was uns Katholiken ja besonders wichtig ist, eingehe, da kann man den Schülerinnen und Schülern durchaus ein konfessionell verbindendes Heiligen-Verständnis anbieten. Das beruht dann eher auf der neutestamentlichen Vorstellung, dass alle Gläubigen von Gott zur Heiligkeit berufen sind. Für uns Katholiken ist darüber hinaus natürlich auch die Vorbildfunktion der Heiligen wichtig, sowie eine Mittlerfunktion zwischen Gott und Mensch.
Wenn ich jetzt das ganz enge Verständnis heranziehen würde, dann würde ich nur Personen als Heilige bezeichnen, denen das Attribut der Heiligkeit im Heiligsprechungsverfahren zugesprochen wird. Es kommt darauf an, beim Unterricht Perspektiven beider Konfessionen angemessen zum Tragen zu bringen und auch je nach Alter der Schüler abzuwägen, ob die Differenzierungen dem Verständnis dienlich oder verwirrend sind. Ziel ist nicht, marginale Unterschiede besonders stark zu machen, sondern vor allen Dingen auch das Gemeinsame zu entdecken.
Wie wird das ablaufen und auch in den Unterrichtsplan integriert?
Es ist vorgesehen, dass mindestens ein Lehrerwechsel in der Primarstufe, also in den ersten vier Jahren stattfindet und ebenfalls in den Klassen fünf bis acht. Idealerweise könnte das nach zwei Schuljahren stattfinden. Das ist aber flexibel handhabbar, je nach Bedingungen an den Schulen. Wenn jetzt zum Beispiel eine Elternzeit dazwischenkommt, dann ist sicher auch mal von diesem zweijährigen Rhythmus abzuweichen.
Jetzt stecken Sie in Thüringen in der Diaspora. Da sieht es auch mit dem Religionsunterricht ein bisschen anders aus als in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel. Es gibt im Moment rund 140.000 Schulkinder, die den nichtreligiösen Ethikunterricht besuchen, 35.000 evangelischen Religionsunterricht und 9.000 den katholischen. Macht das die Organisation von so einer Kooperation komplizierter?
Das ist natürlich ein Aspekt. Wir sind keine Partner auf Augenhöhe. 20 Prozent evangelischer Religionsunterricht, fünf Prozent katholischer zeigen ja, dass wir deutlich in der Minderheit sind. Da bedarf es natürlich auch der Gespräche und vertrauensbildender Maßnahmen, um die evangelische Seite davon zu überzeugen, dass auch sie von einer Kooperation profitieren können.
Aber für die Katholiken ist das ja erst mal positiv, wenn man aus der Nische raus kommt, mit fünf Prozent nur jedes 20. Kind zu unterrichten.
Wir haben natürlich ein größeres Interesse an dieser Kooperation. Von uns ging auch die Initiative hier in Thüringen aus. Es gab Ende 2016 ein Papier der deutschen Bischöfe zur Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts. In dem haben die Bischöfe dazu ermutigt, regionale Modelle zu entwickeln. Wir sind in einer ganz anderen Situation als die westlichen Bundesländer. Wir sind zusammen, sogar als Christen, was den Unterricht an Schulen angeht in der Minderheit. Der Hauptanteil bildet der Ethikunterricht mit 75 Prozent. In dem Fall spielt natürlich religiöse Bildung an der Schule eine wesentlich geringere Rolle als in westlichen Bundesländern.
Daher kommt die Idee, sich zusammen zu stärken und auch die religiöse Bildung an der Schule deutlicher zu verankern. Denn wir haben gerade im katholischen Religionsunterricht das Problem, überhaupt Gruppen von Schülerinnen und Schülern zu bilden. Dann rutscht der Unterricht in manchen Fällen sogar in den Nachmittagsbereich. Die Randstunden sind auf jeden Fall immer betroffen. Manchmal ist dann sogar das Gemeindehaus der Unterrichtsort, weil am Nachmittag die Schule schon geschlossen ist. Damit verschwindet der Religionsunterricht aus dem Blickfeld des gesamten Kollegiums und wird zu einer Extraveranstaltung. Wir möchten die Verankerung in der Schule unbedingt gewährleisten. Möglichst dann auch in Doppelstunden. Wegen der kleinen Lerngruppen kommt es vor, dass uns die regulären Doppelstunden gekürzt werden und uns oft nur eine Unterrichtstunde zur Verfügung steht.
Sie können sich vorstellen, dass man in einer kleinen Gruppe manches kompensieren kann. Aber wenn sich diese kleine Gruppe dann über vier Jahrgänge zieht, also Klasse eins bis vier, dann ist das einfach nicht ideal und auch dem Lehrplan nicht angemessen.
Da klingt jetzt dieser konfessionell-kooperative Unterricht, eigentlich nach einer guten Lösung dafür. Es gibt allerdings nur vier Schulen im ganzen Bundesland, die das jetzt als Pilotprojekt starten. Weshalb nicht mehr? Kein Interesse?
Die Kirchen hatten sich in Thüringen schon 2019 auf eine Vereinbarung geeinigt. Da gab es zwei Modelle.
Einmal die konfessionelle Kooperation, bei der der Lehrerwechsel vorgesehen ist und das zweite Modell ist ein konfessionell-sensibler Religionsunterricht. Letzterer findet schon viel häufiger statt. Auch da besuchen Schülerinnen und Schüler den Unterricht anderer Konfessionen. Diese Gastfreundschaft gibt es schon über viele Jahre. Aber wir haben es als wichtig empfunden, die Lehrkräfte fortzubilden, dass sie die andere Konfession besser im Blick behalten und da auch kompetent unterrichten können. Das ist ohne eine staatliche Vereinbarung auch jetzt schon möglich und wird auch genutzt.
Wir haben jetzt allerdings in der Umsetzung gemerkt, wenn wir diese konfessionelle Kooperation an den Schulen installieren möchten, gibt es viele Bedingungen, die es zu erfüllen gibt. Einmal ist es so, dass wir hauptsächlich die staatlichen Schulen und die staatlichen Lehrer in den Blick genommen haben.
Auf evangelischer Seite haben wir wiederum viele Gestellungskräfte. Das sind Pfarrer, Pfarrerinnen oder Gemeindepädagogen, die mit einem großen Anteil in der Schule unterrichten. Die kann man natürlich nicht in Mathematik oder Deutsch einsetzen, wenn diese Gruppe für zwei Jahre an die katholische Kollegin geht. Die evangelische Kirche hatte sich erbeten, diese Gestellungskräfte nicht in das Modell mit hineinzunehmen. Das war ursprünglich gedacht. Das hat eine Problematik in der praktischen Umsetzung gezeigt. Wir hatten durchaus viele Schulen auf unserer Liste.
Das war sicher eine Ansammlung an Bedingungen, die jetzt vielleicht in der Kürze der Zeit nicht gelungen ist, an allen Schulen umzusetzen. Aber wir haben ja die Möglichkeit, auch im nächsten Schuljahr weitere Schulen mit einzubeziehen. Wir hatten jetzt vor den Sommerferien eine große Fortbildung, in der die erarbeiteten Lehrplanhinweise vorgestellt wurden, um den Lehrkräften die Arbeit in der Kooperation zu erleichtern. Daran waren 40 Lehrkräfte beteiligt, die nicht nur von den Modellschulen kamen. Das hat uns großes Interesse signalisiert. Wir hoffen natürlich, dass es gelingt, weitere Schulen auch mit in das Modellprojekt einzufügen.
(dr - sk)
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