Ordensfrauen in der Ukraine: Entscheidung für das Leben im Krieg
Von Svitlana Dukhovych
?Was das geistliche Leben betrifft, ist der Mensch sehr sensibel. In einem Krieg gibt es so viele verschiedene innere Erfahrungen, Gefühle, gegensätzliche Empfindungen, dass vor allem am Anfang des Krieges auch das Beten schwierig war“, bekennt Sr. Teodora Shulak aus der Ukraine, die im Oktober vergangenen Jahres zur Generaloberin der Missionsschwestern vom Heiligsten Erlöser gewählt wurde. Seit 1998 ist der Frauenorden in der Ukraine aktiv. [Der Orden entstand 1957 aufgrund einer Initiative der Kongregation der Redemptoristen, eine Schwesterngemeinschaft zu gründen, die mit ihr Spiritualität und Apostolat teilt.] Zur ukrainischen Provinz gehören fünf Gemeinschaften mit insgesamt 26 Schwestern. Sie unterstützen die Redemptoristen in den Pfarreien und arbeiten mit Jugendlichen und Kindern: Sie geben Katechese, organisieren Sommerlager, Pilgerfahrten und Einkehrtage.
Der Krieg hat das Leben dieser Schwestern, von denen keine über 50 ist, auf eine harte Probe gestellt. Sr. Teodora fährt fort: ?Wir fühlten uns alleingelassen mit unseren Gefühlen der Angst, der Wut, des Schmerzes. Manchmal erschreckte uns das Empfinden, dass der Hass sich in unsere Herzen eingeschlichen haben könnte. Zuweilen erlebte ich eine Art Gespaltenheit: Einerseits dankte und lobte ich Gott im gemeinschaftlichen Gebet, andererseits spürte ich, wenn ich in meinem Zimmer allein war, die widersprüchlichsten Gefühle, mit denen ich nicht umgehen konnte. Eines Tages habe ich verstanden, dass diese Gespaltenheit nicht christlich war und nichts mit Gott zu tun hatte: Jesus ist mit seinen Wunden auferstanden. Er weiß, was es bedeutet, diese Wunden zu tragen und das Leiden bis in den Tod hinein zu erleben. Ich habe verstanden, dass ich nur in ihm und gemeinsam mit ihm diese Tragödie überleben kann.“
Dieser innere Weg brachte die Schwester dazu, all ihre Gefühle und schmerzhaften Empfindungen Gott anzuvertrauen. Im Gebet, das fast ein Schreien war, vertraute sie sich unter Tränen Gott an: ?Herr, ich gehöre dir! Du hast uns für das Leben geschaffen und wir werden vom Tod verfolgt! Du hast uns berufen, lebendige Hoffnung für viele andere Menschen zu werden, und nun lastet der Schatten des Todes und der Angst auch auf uns.“ Diese innere Erfahrung lehrte die Missionsschwester, nach dem Gebet in Stille zu verweilen, um Gott Zeit zu geben, auf ihre Bitte zu antworten. Sie erinnert sich, dass sie gesagt hat: ?Ich werde warten, so lange es nötig ist. Aber lass mich mit all dem, was ich erlebe, nicht allein!“
Der Krieg erfordert eine kontinuierliche Unterscheidung nicht nur für das geistliche Leben, sondern auch in Bezug auf die Pastoral. Sr. Teodora, die von 2013 bis Oktober 2022 Provinzoberin der Ukraine war, erzählt, dass sie nach der russischen Invasion ihre Aktivitäten neu überdenken mussten, um zu sehen, wie sie der Kirche und den Menschen in der neuen Situation am besten dienen könnten. Bereits im März waren etwa zehn Schwestern, die Deutsch oder Englisch sprachen, ins Ausland gegangen – nach Deutschland, Österreich und Irland –, um in katholischen Einrichtungen, die ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hatten, zu helfen. Über sechs Monate lang halfen sie ihren Landsleuten beim Ausfüllen von Formularen, sie besuchten Kranke und Verletzte in den Krankenhäusern und unterstützten die Kinder der Geflüchteten in den örtlichen Schulen.
Ein weiterer Bereich ihres Dienstes ist die psychologische Unterstützung der Kriegsopfer. Mehrere Schwestern, die eine Ausbildung in Psychologie oder Psychotherapie abgeschlossen hatten, haben weitere spezifische Kurse belegt, um den Menschen besser helfen zu können, Trauer und Traumata zu überwinden. Die Missionarin erzählt: ?In einigen unserer Klöster haben wir Flüchtlinge aufgenommen. Unter ihnen war eine muslimische Tatarenfamilie. Während ihrer Zeit bei den Schwestern wurde ihr Kind geboren. Und dann haben sie einen sehr bewegenden Post auf Facebook geschrieben über die Tatsache, dass sie niemals gedacht hätten, diese Beziehung zwischen Christen und Muslimen so aus der Nähe leben zu können.“
Seit zehn Jahren haben die Missionsschwestern vom Heiligsten Erlöser auch eine Gemeinschaft in Tschernihiw, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Norden der Ukraine. In den ersten Monaten des Krieges gab es für die Schwestern keine Möglichkeit, dort ihre Mission fortzusetzen. Sie waren gezwungen, die von russischen Soldaten umzingelte und bombardierte Stadt zu verlassen. Als sie im April zurückkehrten, sahen sie die Zerstörung. Auch Sr. Teodora, die ebenfalls eine ausgebildete Psychotherapeutin ist, war dort: ?Wir haben die Menschen an den Orten aufgesucht, die am meisten betroffen waren. Die Leute hatten Angehörige verloren, die Häuser, alles. Durch Gespräche und Zuhören konnten wir ihnen ein wenig helfen, Depression oder Panikattacken zu überwinden. Es sind Menschen, die es wirklich nötig haben, zu wissen, dass jemand ihnen nahe ist, jemand, der in der Lage ist, Hoffnung und Glauben zu bringen, wenn sie straucheln.“
Obwohl Wut eine natürliche Reaktion auf Ungerechtigkeit und erlittenes Leid ist, sei es wichtig, dass dies nicht das vorherrschende Gefühl sei, fügt die Missionarin hinzu. Die Menschen sollten fähig sein, das Leben auch durch kleine Gesten zu wählen, wie dies eine Frau getan habe, der sie in Tschernihiw begegnet sei. Sie hatte um ihr von den Bomben total zerstörtes Haus einen wunderschönen Garten angelegt. ?Ich konzentriere mich auf die kleinsten Dinge des Lebens. Seht einmal, dieses gerade aus der Erde aufgekeimte Pflänzchen: es wird wachsen und leben“, erklärt sie den jungen Schwestern. Sr. Teodora sagt, dass dies für sie ein beeindruckendes Zeugnis dafür war, was es bedeutet, das Leben zu wählen.
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