Unser Sonntag: Versuchungen
Prof. Dr. Elmar Nass
Mt 4,1-11 (1. Fastensonntag)
Das Beispiel der Versuchung Jesu in der Wüste gibt uns einen verlässlichen Gewisssensspiegel an die Hand. Den braucht jeder Mensch, der verantwortlich und frei ein gutes Leben führen möchte. Denn das erfordert immer wieder Entscheidungen zu treffen, sei es für sich selbst, für und mit anderen oder in der Bewertung und im Umgang mit unseren sozialen Kontexten.
Hierbei stehen folgende brisante Fragen im Raum:
- Gibt es nun überhaupt das Böse, das uns verführen will?
- Liegen wir mit unseren Entscheidungen und Werteurteilen richtig?
- Was können wir im Dilemma tun, wenn wir alles Menschenmögliche getan und geprüft haben und dennoch nicht zu einer eindeutig guten Entscheidung gekommen sind?
Erkenntnisse des Evangeliums als Leitplanken
Das heutige Evangelium gibt uns hier wichtige Erkenntnisse als Leitplanken zu einem verantwortbaren Leben vor. Zunächst müssen wir davon ausgehen, dass es das Böse gibt. Davon hören wir ausdrücklich im Evangelium Es tritt in der Wüste Jesus gegenüber, der das Gute inkarniert. Dieses Böse ist also nicht irgendein Teil des Guten, sondern sein Widersacher in offener Konfrontation der Versuchung. Jesus bleibt am Ende der Sieger über das Böse. Also ist der Sieg des Guten möglich. Das macht auch uns Mut, die wir mit Versuchung konfrontiert werden.
Wir sind nicht nur selbstlos
Nur gottgleiche Menschen könnten etwa die allgemeine Bestimmung der Güter dieser Erde als Kollektiveigentum leben. Da der Mensch aber auch Egoismus und Versuchbarkeit in sich trägt, sind wir nicht nur selbstlos und altruistisch. Diese Seite muss immer mitbedacht und auch gehändelt werden, wenn wir das Zusammenleben der Menschen gestalten wollen. Ansonsten führt solche weltfremde Utopie in die soziale Katastrophe. Wir müssen also auch die dunkle Seite als teil der conditio humana mitdenken.
Das Gewissen kann irren
So also setzen wir im Menschen einen inneren Dialog mit dem Bösen voraus, der uns versuchbar macht. Orientierung gibt uns hier das Gewissen. Das sehen auch Philosophen wie Immanuel Kant oder Adam Smith ähnlich. Sie mahnen uns zugleich, dass auch das Gewissen irren kann. Diese mögliche Täuschung ist eine weitere Gefahr der Versuchbarkeit. Wenn wir unser womöglich fehlgeleitetes Gewissen befragen und danach handeln, folgen wir womöglich dem Bösen. Was also kann uns davor bewahren? Für Kant ist es das Sittengesetz, für Smith die Idee eines abstrakten unparteiischen Beobachters, die von außen aus einer objektiven Perspektive unser Gewissen kritisch prüfen.
Das Gewissen also ist nicht die letzte Instanz zum Guten. Das ist auch die zutiefst christliche Überzeugung. Für uns ist dieser Spiegel aber nicht ein abstraktes Prinzip, sondern der konkrete Plan des personalen Gottes, den wir durch eine Haltung der Liebe und Vernunft auch erkennen können. Öffnen wir also unsere Seele und unser Herz auf diese innere Begegnung mit Gott, so können wir erkennen und spüren, ob uns unser Gewissen täuscht oder zum Guten führt. Das Gewissen ist ein notwendiger Spiegel zum Guten. Es braucht zugleich den Spiegel Gottes, den wir erkennen können, um danach mit Gottes Geist im Herzen zu handeln, aller Versuchung zum Trotz.
Und wenn wir dann im Dilemma mal nicht mehr weiter wissen, alles abgewogen und getan haben, was in unserer Kraft steht und immer noch nicht wissen, was nun gut oder böse ist, dann mögen wir es machen, wie Oswald von Nell-Breuning empfahl: Zum Heiligen Geist beten, dann entscheiden und handeln. Mit Gott.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
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