D: Als laisierter Priester in der Seelsorge
Korbinian Bauer, Münchner Kirchenradio
Wer zum Priester geweiht wird, der trifft damit eine Entscheidung fürs Leben – eigentlich. Denn obwohl die Weihe selbst unwiderruflich ist, kann ein Priester durchaus von seinen Rechten und Pflichten entbunden werden: Er gehört dann nicht mehr zum Klerus, sondern wird wieder ein Laie. Norbert Mohr hat genau so eine Laisierung durchlaufen, und zwar schon Anfang der 70er Jahre. Eigentlich war er überzeugter Priester.
?Man wählt als Priester schon den Zölibat, dazu steht man dazu und macht das! Aber im Laufe des Lebens gibt es natürlich Orientierungsänderungen, und manche schaffen das so, dass sie mit Askese usw. diese Probleme bearbeiten. Aber ich denke, der Hintergrund war sicher das Vatikanische Konzil, das sozusagen freie Dimensionen geschaffen hat; das war sehr wichtig zu Zeiten des Konzils.“
In den 60er Jahren war Mohr Priester im Bistum Speyer. Unter anderem hat er dort beim Aufbau einer neuen Gemeinde und beim Bau einer neuen Kirche mitgeholfen.
?In dem Zusammensein mit den Leuten haben sich Kontakte entwickelt. Und auch meine Idee: Ich möchte eigentlich, wenn es geht, nicht allein zölibatär weiterleben. Ich habe es bisher gut gemacht und gedacht ?Es ist gut‘, aber ich möchte eigentlich eine neue Form suchen, möchte eine Familie gründen. Und dann habe ich mich entschlossen, dass ich das mache. Aber ich denke, viele meiner Mitbrüder hatten damals Angst, dass sie da berufsmäßig irgendwie Probleme bekommen…“
Dispens vom Papst war nicht leicht zu bekommen
Einfach so kann sich nämlich kein Priester laisieren lassen: Dazu braucht es eine Befreiung des Papstes, Dispens genannt. Die war lange Zeit gar nicht so leicht zu bekommen. Der Vatikan hatte natürlich auch ein Interesse daran, die Hürden für Priester möglichst hoch zu halten. Norbert Mohr hatte aber Glück: Damals war nämlich Ernst Gutting Weihbischof von Speyer.
?Der hat sich damals sehr um neue Formen bemüht und hat ein Projekt entwickelt; er wollte wissen, wie es ehemaligen Pfarrern in einer Ehe, in einer Beziehung geht. Und er hat sich darum gekümmert, hat viele Kontakte geschaffen mit solchen. Er wollte ein bisschen studieren und sehen: Wie geht es denn? Denn die Rede von traditioneller Seite, von konservativer Seite lautete: ?Das haut nicht hin. Die scheitern einfach. Das kann nicht gut gehen, und die werden sich bestätigt fühlen, wenn da die Kinder alle missraten sind‘ oder was weiß ich. Aber es war nicht so. Gutting hat mir sehr geholfen und hat auch die Brücken gebaut zu Weihbischof Ernst Tewes nach München.“
Kardinal Döpfner sah kein Hindernis
In München startete man zu dieser Zeit, 1972, gerade ein neues Seelsorgeprojekt, und zwar in der damals anlässlich der Olympischen Spiele neu gebauten U-Bahn: die ?Münchner Insel“, eine niedrigschwellige Beratungsstelle im Zwischengeschoss am Marienplatz. Das Ganze sollte ökumenisch werden, und man war noch auf der Suche nach der geeigneten Person für die katholische Leitungsstelle. Eigentlich perfekt für Norbert Mohr – aber der hatte ja gerade zu dieser Zeit beschlossen, nicht mehr länger Priester sein zu wollen. Zu seiner Überraschung sah der Münchner Erzbischof darin allerdings kein Hindernis.
?Kardinal Julius Döpfner hat mir damals – das war eine große Ausnahme – zugesagt, dass ich mich laisieren lassen kann. Ich habe dann geheiratet, habe drei Kinder bekommen, eine Familie. Aber man hat mich – das war damals eine Rarität – in der Stille gelassen; Döpfner hat mir da sehr gute Vorgaben gemacht. Ich habe gesagt: ?Ich bleibe gerne hier, wenn Sie mir versprechen… Ich möchte mich demnächst laisieren lassen, möchte heiraten…‘ Da hat er gesagt: Ja, ich verspreche es Ihnen!“
Und so konnte Norbert Mohr auch weiterhin als leitender Seelsorger arbeiten – aber eben nicht mehr als Priester, sondern als Laie. Mittlerweile ist er im Ruhestand.
(mkr – sk)
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