D/Brasilien: Adveniat sieht gro?e Herausforderungen für Lula
DOMRADIO.DE: Der Wahlsieg von Lula da Silva ist ein Sieg für die Demokratie, für die Armen, für die Umwelt und für das Weltklima. So heißt es in einer ersten Stellungnahme von Adveniat. Warum war das jetzt ein Richtungsentscheid?
Thomas Wieland (Leiter der Projektabteilung des Lateinamerikahilfswerks Adveniat): Wir stehen mit vielen Partnerinnen und Partnern im Land in Kontakt und die haben vor den Wahlen gezittert. Die Bischöfe haben sich dazu geäußert und das als Richtungsentscheid deklariert. Und wir haben das ja auch gesehen: Die beiden Kandidaten sprechen durch Taten. Beide waren schon mal Präsidenten. Was Bolsonaro aus seiner Amtszeit hinterlassen hat, muss man als eine Spur der Verwüstung bezeichnen. Elf Millionen der Brasilianer hungern, es gibt knapp 700.000 Covid-Tote, die Abholzungsraten im Amazonasgebiet sind so hoch wie nie zuvor. Geschwächte demokratische Institutionen wie der Oberste Gerichtshof, wie aber auch die Institution, die für den Schutz der Umwelt oder für den Schutz indigener Völker zuständig sind, sind geschwächt, das Personal ist reduziert. Und am 7. Oktober wurde auch noch einmal das Statut der Indigenenbehörde verändert.
Von 2003 bis 2011 war Lula an der Macht. Er hat viele Brasilianer aus der Armut in die Mittelschicht geführt und eine Gesetzgebung gegen Korruption eingeführt. Die Lava Jato Bewegung steht dafür. Gleichwohl ist er auch kein Held und Heiliger. Korruption war auch ein problematisches Thema seinerzeit.
Trotzdem sieht man zwei Kandidaten: jemanden, der für die Demokratie und für die Armen steht: Lula. Und jemanden, der gegen die demokratischen Institutionen steht und jemand der Wut und Hass auf die Armen zum Ausdruck gebracht hat: Bolsonaro.
DOMRADIO.DE: Der knappe Ausgang zeigt auch, wie tief gespalten das Land tatsächlich ist. Trauen Sie es Lula zu, der Präsident aller Brasilianer und Brasilianerinnen zu werden, so wie er das angekündigt hat?
Wieland: Die Zeichen dafür stehen nicht gut. Dafür spricht zunächst einmal das knappe Wahlergebnis von etwas weniger als zwei Prozent bei der Stichwahl. Zum anderen wird Bolsonaro noch bis Ende des Jahres an der Macht sein und als Präsident die Spur der Verwüstung weiterführen können.
Bolsonaro hat den Wahlkampf sehr emotional geführt, auch mit Falschnachrichten und im religiösen Feld verortet, sodass Hass und Wut tief in den Emotionen der Menschen verankert sind. Ich glaube, für Lula werden die Herausforderungen groß sein. Er ist auch nicht mehr der Kandidat, der er 2003 war. Die Korruptionsaffäre hat ihn geschwächt. Zurecht bestehen Fragen auch gegenüber ihm. Das Parlament ist stark von Bolsonaro-Anhängern besetzt, sodass die Vereinigung, die Einheit des brasilianischen Volkes und die Antwort auf die großen Herausforderungen, Demokratie und Umweltschutz schwierig werden. Er wird alles daran setzen, das zu tun. Wichtig wird es sein, die richtigen Verbündeten dazu bekommen. Und auch international braucht er Unterstützung. Es ist wichtig, dass wir als Bundesrepublik, auch als Europäische Union, die brasilianische Regierung bei den großen Vorhaben unterstützen. Denn auch die wirtschaftliche Situation Brasiliens ist nicht mehr so gut, wie sie 2003 war.
DOMRADIO.DE: Im Wahlkampf hat der religiöse Hintergrund der Kandidaten eine wirklich wichtige Rolle gespielt. Bolsonaro hatte tendenziell die Freikirchler hinter sich, Lula eher die Katholiken. Haben Sie schon Reaktionen der katholischen Kirche auf den Wahlausgang?
Wieland: Außer ein paar privaten WhatsApp Nachrichten, die sich aufgrund des Wahlausgangs erleichtert zeigen, haben wir noch keine offiziellen Mitteilungen und Nachrichten. Weder von der Bischofskonferenz noch von den Ordensleuten. Aber es werden sicher noch welche eintreffen.
Adveniat
Das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, Adveniat, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden.
(domradio – mg)
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