Koch zu Kritik an G7-Covax-Spende: ?Das Bessere ist der Feind des Guten...“
Die G7-Staaten hatten sich bei ihrem jüngsten Gipfel im englischen Cornwall darauf verständigt, zusätzlich zu den bereits zugesagen Impfdosen bis Ende des kommenden Jahres nochmals 870 Millionen Einheiten direkt an die Covax-Initiative zu spenden. Damit soll es bedürftigen Ländern ermöglicht werden, ihre Bevölkerung aus dem Solidarfonds zu immunisieren. Die Europäische Union ist neben den Vereinigten Staaten einer der größten Spender für das internationale und organisationsübergreifende Projekt.
Allerdings wurde die Zusage der führenden Industrienationen nicht nur positiv aufgenommen. Nichtregierungsorganisationen kritisierten, die Zahl der zugesagten Dosen sei zu gering und die Initiative führe am eigentlichen Problem vorbei; auch der Direktor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, betonte, dass man nicht nur mehr Impfdosen brauche - sondern diese auch schneller benötige. Wir sprachen mit dem deutschen Botschafter beim heiligen Stuhl, Michael Koch, und fragten ihn nach seiner Einschätzung der Kritik.
Michael Koch, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl: ?Das ist meiner Ansicht nach ein wirklich schönes Beispiel dafür, wie das ,Bessere' der Feind des ,Guten' ist. Natürlich ist das am Ende zu wenig, wir haben eine Weltbevölkerung von fast acht Milliarden Menschen, das heißt, da brauchen wir offenkundig mehr als die jetzt hier zugesagte Zahl. Aber es geht ja darum, dass es jetzt bei Covax - zusätzlich zu dem bisher Erreichten – weitergeht; und zwar mit einer deutlich größeren Zahl als dem, was bisher zur Verfügung gestellt wurde. Das ist hier passiert. Man muss dabei auch bedenken, dass es relativ sinnlos ist, nun irgendwelche Zahlen zu versprechen, wenn erkennbar ist, dass die Hersteller im Moment solche Zahlen noch gar nicht bedienen können. Also, insofern würde ich auf diese Kritik sagen: Ja, wir brauchen am Ende viel mehr, aber hier ist ein deutlicher und bedeutender Schritt nach vorne gemacht worden. Das sollte man würdigen und dann darauf hinarbeiten, dass dann natürlich auch noch eine größere Anzahl von Chargen für Länder des Südens zur Verfügung gestellt werden können.“
Radio Vatikan: Es war ja im Zusammenhang mit der Kritik auch die Rede von einem ?Ablenkungsmanöver“, um nicht durchscheinen zu lassen, dass letztlich vielen Forderungen zum Trotz der Patentschutz für die Impfstoffe nicht aufgeweicht wurde. Was können Sie uns dazu sagen?
Michael Koch: ?Also, mit dem Patentschutz ist es eine ganz grundsätzliche Debatte. Natürlich kann man da unterschiedlicher Meinung sein, aber wir glauben, die Bundesregierung glaubt, dass es in dieser Lage nicht wirklich voran hilft, weil der entscheidende Flaschenhals ja nicht der Patentschutz ist, sondern schlichtweg das physische Vermögen, durch entsprechende Produktionsstätten noch viel größere Zahlen von Impfschargen zuwege zu bringen. Es ist völlig klar, wenn wir das erreichen wollen – und das müssen wir erreichen, dazu wollen auch wir Deutsche beitragen – können Sie das viel besser, wenn alle freiwillig an einer solchen Kooperationen mitwirken anstatt sozusagen nur unter Zwang etwas herausgeben zu müssen. Wir glauben, dass dieser Weg der freiwilligen Kooperation der bessere ist, weil er schneller und effektiver zum Ziel führt.“
Radio Vatikan: Kann denn diese Covax-Initiative, die unter dem Eindruck und gegen Corona ins Leben gerufen wurde, auch in späteren Zeiten, nach Corona, als Beispiel dafür dienen, andere Impfstoffe auf ähnliche Weise zu verteilen?
Michael Koch: ?Ich glaube Covax selbst ist nun tatsächlich ausgelegt auf Corona, aber Sie haben völlig Recht. Es ist ein Grundgedanke, der sich natürlich überhaupt für jede Art von Auseinandersetzung mit globalen Gesundheitsherausforderungen anbietet. Wir haben ja auch gesagt, dass es dringend notwendig ist, Kapazitäten für Impfstoffherstellung - und zwar jedweder Art, nicht nur solcher gegen Covid – auch im globalen Süden aufzubauen. Der Bundesgesundheitsminister ist ja kürzlich genau zu dem Zweck nach Südafrika gereist, um diese Möglichkeit dort auszuloten. Also ja, der Grundgedanke, dass am Ende nur praktizierte Solidarität hilft, weil es keinen Schutz geben kann, der sich nur auf den Norden beschränkt, ist und bleibt richtig. Und wenn es gut geht, wird er sicher auch über Covid hinaus Anwendung finden und vielleicht dann auch dazu beitragen können, die internationalen Gesundheitssysteme in eine entsprechende Richtung zu entwickeln.“
Radio Vatikan: Vielen Dank für dieses Gespräch.
Die Fragen stellte Christine Seuss.
(vatican news)
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