Unser Sonntag: Petrus und die Hütten
Pfarrer Jahn Lehmann, Spiritual und Jugendpfarrer Trier
Zweiter Fastensonntag, Mk 9,2-10
In der Nähe meiner Wohnung ist ein Neubaugebiet entstanden. So typisch und schick, wie das zurzeit üblich ist. Scheinbar hat jede Generation ihren eigenen bevorzugten Baustil: In meiner Stadt gibt es zum Beispiel Gründerzeitvillen, die aus dem Beginn 20. Jahrhunderts stammen, Betonbauten, die in der Nachkriegszeit schnell entstehen mussten oder Häuser aus den 80er Jahren, die große Wohnräume und Holzvertäfelungen an den Decken anzubieten haben. Der aktuelle Trend geht zum Baustil ?Stadtvilla“. Diese Häuser sind mittlerweile in ganz Deutschland anzutreffen. Es sind meist zweigeschossige Gebäude mit Terrasse und großzügigem Eingang. Bodentiefe Fenster im Erdgeschoß lassen viel Licht herein und im Obergeschoß sind die Räume ohne Dachschrägen, da sich das Dach recht niedrig über dem Haus erhebt. Der Typ Stadtvilla wird häufig als Fertighaus verkauft und ganze Straßenzüge bestehen daraus. Die Stadtvilla versucht, alles unter ein Dach zu bringen: elegantes Wohnen und viel Platz, optimale Heizversorgung durch eigene Lüftungssysteme, so dass die Fenster nicht mehr geöffnet werden müssen, bis hin zu standardisierten Bauformen bei gleichzeitig maximaler Individualisierung für die Eigentümer. Die Stadtvilla bietet viel und scheint ihre Versprechen zu halten, ansonsten wäre sie im Moment nicht so beliebt.
Erfahrung der Verklärung in drei Hütten...
Alles unter ein Dach bringen, das gelingt Petrus im Evangelium nicht! Sein Vorschlag ist, drei Hütten zu bauen. Er will die Erfahrung auf dem Berg der Verklärung in drei ordentlich voneinander getrennte Hütten unterbringen, um so Jesus, Elija und Mose ein eigenes zu Hause zu geben. Statt einer Hausgemeinschaft schlägt er Einfamilienhäuser mit möglichem Nachbarschaftsanschluss vor. Was hätte er auch sonst machen sollen?
Dieses Erlebnis setzt alles außer Kraft, was er bis dahin in der Gemeinschaft mit Jesus gewohnt war. Wir können davon ausgehen, dass sich Jesus und Petrus schon seit einigen Jahren kannten. Petrus hat für ihn Haus und Hof verlassen. Er war Zeuge, als Jesus Kranke heilte und sogar ein totes Mädchen (Mk 5,35-43) zum Leben erweckte. Er saß mit Jesus in einem Boot, als dies drohte unterzugehen und sah Jesus ein anderes Mal auf dem Wasser auf sich zu gehen. Die zwei hatten wirklich schon einiges erlebt und immer wieder erlebte Petrus, dass es Jesus mit ihm und der Welt gut meinte.
Nicht immer kam Petrus richtig mit
Ich habe den Eindruck, dass Petrus bei all dem nicht immer so schnell mitkam. Er brauchte Zeit, um das zu verstehen und zu verarbeiten, was Jesus sagte oder tat. Scheinbar ist Jesus immer etwas schneller als Petrus und fordert einiges von ihm. Der Aufstieg auf den Berg ist dafür vielleicht ein Bild. Jesus geht voran, Petrus und zwei weitere Jünger folgen ihm. Jesus gibt das Tempo an, er legt den Weg fest und entscheidet an welcher Stelle das Ziel erreicht ist. Petrus muss diesen Jesus wirklich gemocht haben, dass er sich auf diese Strapazen und Herausforderungen eingelassen hat. Ihn muss auch eine riesige Neugier gepackt haben, was Jesus noch alles zu sagen hat und machen will.
Irgendwo auf dem Weg kommt es dann zu der Erfahrung, die Petrus dann nicht mehr unter einen Hut bringen kann. Jesus wird vor seinen Augen verwandelt. Petrus erhält so eine Sichtweise auf Jesus, die er irgendwie kannte, jetzt aber auf den Punkt gebracht wird. Vor ihm zeigt sich Jesus mit all seiner göttlichen Kraft und schlägt so einen Bogen zwischen Himmel und Erde, zwischen dem göttlichen und menschlichen in unserer Welt.
Eigentlich überrascht es mich, dass Petrus sich so überraschen lässt. Er war ja dabei, als Jesus bei vielen anderen Begegnungen Himmel und Erde verbunden hat. In seinem Umgang mit Kranken, in seiner Botschaft oder seinen Wundern hat sich der Himmel schon längst mit der Erde verbunden. Gottes Licht leuchtet bereits in unserer Welt und wird in Jesus Christus gebündelt. Vielleicht ist es das, was Petrus so umwirft. Ihm wird klar, dass er mit der Quelle des Lichtes in Berührung kommt und in ihm wächst die Gewissheit, nie mehr aus der Nähe Gottes herausfallen zu können.
Jesu Licht fällt auch auf Petrus
Das Licht, das Jesu erleuchtet fällt auch auf Petrus und lässt ihn manches klarer sehen. Er hinterfragt das Erscheinen von Mose und Elija z.B. nicht mehr. Die beiden großen Gestalten des Alten Testamentes gehören für Petrus dazu, weil sie die Botschaft Jesu verdichten. Mose hat das Volk Israel im Namen Gottes aus dem Haus der Knechtschaft herausgeführt und nach Kanaan begleitet. Gottes Ja zu seinem Volk wird in der Person des Mose lebendig und lebt in Jesus Christus weiter. Durch seinen Sohn spricht Gott sein Ja der ganzen Welt zu.
Elija ist der Prophet, der Gott leibhaftig auf dem Berg Horeb (1 Kön 19,1-18) begegnet ist. Nicht im Feuer oder in einem Sturm, sondern in einem zarten, leisen Windsäuseln. Gott begegnet Elija, indem er seine Macht in eine unendliche Zärtlichkeit verwandelte, die die Macht der Liebe ist. Diese Macht der Liebe wird in Jesus Christus auf den Punkt gebracht und uns in dem Wort anvertraut ?Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12).
Elija und Mose gehören für Petrus dazu, doch er kann sie noch nicht wirklich zusammen bringen. Daher schlägt er auch vor, drei eigenständige Hütten zu bauen. Petrus fehlt noch das Wort Jesu, dass er zu ihnen auf dem Rückweg spricht. Sie sollen über all das schweigen, bis er von den Toten auferstanden ist. Jesus gibt ihnen damit einerseits Zeit das Erlebte zu verarbeiten. Zum anderen setzt er einen Zielpunkt, der für sie ein weiter Meilenstein in einer konkreten Sichtweise auf Jesus ist. Er wird für die Menschen sterben und auferstehen.
Damit legt Jesus auf dem Berg das Versprechen ab, dass selbst in der größten Dunkelheit – dem eigenen Tod – Gottes Macht nicht kapitulieren wird. Gottes Licht wird die Finsternis vertreiben und einen neuen Anfang setzen. Mit diesem Wort wird klarer, warum Jesus den Vorschlag der drei Hütten nicht annehmen kann. Für ihn sind die Erfahrungen von Mose und Elija nicht für sich zu betrachten und aufzubewahren, sondern sie gehören in ihm zusammen. Er vereinigt sie in sich, weil sie alle von dem großen JA Gottes zu uns Menschen sprechen, dass in Jesus Christus in unsere Welt kam.
Gottes Licht bleibt
Die Botschaft des Berges steht dafür gerade, dass Gottes Nähe und sein Licht nie aus unserer Welt verschwinden werden. Sie leuchtet von dem Berg in die ganze Ebene, in unsere ganze Welt hinein und will uns für unseren Alltag Mut und Zuversicht geben. Diese Botschaft muss sich an den Herausforderungen unseres Alltags messen, daher geht Jesus mit seinen Jüngern auch wieder zurück ins Tal. Er weiß, dass diese Erfahrung nur dann seine ganze Kraft entwickeln kann, wenn sie ins Leben zurückgetragen wird. Am Fuß des Berges warten daher schon die nächsten Herausforderungen auf Jesus und seine Jünger. Die Verklärung auf dem Berg war noch nicht der Schlusspunkt für ihn und seine Freunde. Sie war eine Wegmarke, die das Versprechen Gottes in die Welt hinausschickt, dass er an unserer Seite steht und sein Licht sich nicht zurückziehen wird.
Jesus Christus ist das Ja Gottes zu unserer Welt
Als ich diese Gedanken formuliere, ist einer der ersten sonnigen Tage für dieses Jahr. Nach den dunklen Tagen und den ständig schlechten Nachrichten der letzten Wochen, ist ein richtiges Aufatmen zu spüren. Das Licht und die Wärme tun uns Menschen gut und so erinnert mich die Natur daran, dass trotz aller Dunkelheit und schlechter Nachrichten, das Aufgehen der Sonne nicht an uns Menschen liegt. Die Sonne folgt einem anderen Rhythmus, den wir Menschen Gott sei Dank, noch nicht verändern können. Dieser Rhythmus zaubert uns in diesen Tagen kraftvolles Licht ins Gesicht, unabhängig davon wie hoch die Infektionszahlen sind oder wie die Prognosen der kommenden Wochen lauten. Der Rhythmus der Natur erinnert mich an das Versprechen Gottes, dass er mit seinem Sohn Jesus Christus sein Ja zu unserer Welt gesprochen hat und er dieses Ja nie zurücknehmen wird.
Handeln ist wichtig
Dieses Versprechen beinhaltet zugleich die Aufforderung an uns, sich auf den Weg in die Ebenen des Alltags zu machen und so nach unseren Möglichkeiten Mut und Hoffnung zu teilen. Es kann uns als Christen, die das Licht der Welt in unseren Alltag tragen dürfen, nicht egal sein, was um uns herum passiert. Weil dies auch nicht unter ein Dach zu bringen wäre. Wir dürfen nicht auf der einen Seite das Versprechen Gottes an uns Menschen wiederholen, ohne nicht gleichzeitig in ein Handeln zu kommen. Wir können uns dabei ein Vorbild an Petrus nehmen. In ihm wuchs der Wunsch etwas zu tun. Seine erste Idee drei Hütten zu bauen, war nicht so das Richtige. Doch das machte nichts. Wichtiger war, dass er den Moment erkannte, dass diese Erfahrung Konsequenzen haben müsse. Ich denke, dies gilt auch für uns.
Der weltweite Umgang mit den Impfstoffen zum Beispiel macht dies sehr deutlich. Die Pandemie lässt sich nicht schön ordentlich in getrennte Länder einsperren. Sie herrscht überall und überall wird der Impfstoff gebraucht. Fatal und unchristlich ist es, die Verteilung des Impfstoffes nach Vermögen zu organisieren. Die Welt besteht nicht aus Einfamilienhäusern, die für sich sein könnten. Unsere Welt ist ein gemeinsames Haus und wenn wir nicht auf unsere Mitbewohnerinnen und –bewohner achten und für sie mitsorgen, wird das ganze Haus krank bleiben.
Petrus hat einige Zeit gebraucht bis er verstand, dass es nicht um drei eigenständige Hütten geht. Im Blick auf Jesus Christus merkte er, dass Gottesbotschaft gehört und getan werden will. Dies gilt auch für uns. Denn auch uns gilt sein Wort, dass er kurz vor seinem Tod und seiner Auferstehung gesagt hat: ?Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,31).
(radio vatikan - claudia kaminski)
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