D/Italien: Auf den Spuren der Deutschen in Rom
Im berichtet Jörg Ernesti, Professor für Kirchengeschichte, wo Deutsche in Rom überall ihre Spuren hinterlassen haben.
Domradio: Zum Thema Deutsche in Rom, da fällt mir persönlich als erstes Goethe ein. Dabei hätte ich genauso gut an Karl den Großen denken können.
Jörg Ernesti: Ja, Karl der Große ist der erste deutsche Herrscher, der im Petersdom gekrönt worden ist und zwar zum Kaiser. Das war an Weihnachten 800 und ihm sollten noch fast alle weitere mittelalterlichen Kaiser Folgen. Im Petersdom ist sogar eigens eine Stelle markiert, wo den deutschen Königen die Kaiserkrone aufgesetzt worden ist. Man kann die Platte im Petersdom noch heute sehen. Sie ist in dem erwähnten Band auch abgebildet. Die Herrrscher haben ihren Tross mitgebracht und sind dann untergebracht worden in Rom und haben eben dementsprechend Spuren hinterlassen.
Domradio: Durch alle Jahrhunderte hindurch, war das, wo Menschen aus dem deutschsprachigen Raum nach Rom gekommen und geblieben sind. Warum und was hat Rom diesen Menschen so sehr fasziniert?
Jörg Ernesti: Die sind aus verschiedenen Gründen gekommen. Sie kamen als Mitglieder der römischen Kurie, also der vatikanischen Verwaltung oder als Kirchenmänner. Oder sie kamen als Händler. Sie kamen als Künstler. Das galt besonders seit der Renaissance. Oder sie kamen als Gelehrte sowie aus privaten Anlässen, also etwa, weil sie mit einer Römerin oder einem Römer zusammen waren. Heute gehen wir von etwa 25.000 Menschen aus, die deutsche Wurzeln haben oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und in Rom leben. Ganz genau können wir das nicht sagen, weil es heute keine Meldepflicht mehr gibt für Deutsche in Rom, aber die deutsche Präsenz ist nach wie vor sehr stark und beginnt eigentlich schon im frühen Mittelalter.
Domradio: Tatsächlich gab es im Mittelalter so etwas wie ein deutsches Viertel in Rom mit deutschen Bäckereien, das müssen Sie mal erklären.
Jörg Ernesti: Zwischen dem Fluss Tiber und dem Gianicolo-Hügel war dieses deutsche Viertel gelegen. Es war Borgo genannt. Da klingt auch noch das deutsche Wort Burg mit an, denn tatsächlich war da auch eine deutsche kaiserliche Burg angesiedelt. Wir haben noch zwei Kirchen. Die tragen den Namen San Michele und Santo Spirito in Sassia, also in Sachsen. So nannte man die Menschen aus dem Norden, also eben die Deutschen und ein letzter Rest dieser deutschen Provinz ist noch neben St. Peter zu sehen, nämlich der Campo Santo Teutonico, also der deutsche Friedhof mit dem deutschen Priester-Kolleg und der kleinen deutschen Kirche. Das ist der letzte Rest einer ehemals deutschen Siedlung, mit wie Sie sagen deutschen Bäckern und deutschen Händlern, deutschen Handwerkern, die sehr geschätzt waren im mittelalterlichen Rom.
Domradio: Und unter den vielen deutschen Neu-Römerinnen und Neu-Römern greif ich jetzt mal eine Malerin heraus: Angelika Kauffmann. Was hat es mit ihr auf sich?
Jörg Ernesti: Ja, sie kam mit ihrem Vater nach Rom. Sie stammt aus Chur und war mit einem Italiener verheiratet, wirkte in Rom im letzten Viertel und zu Beginn des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Und war so etwas wie ein gesellschaftlicher Mittelpunkt des gelehrten und schöngeistigen und künstlerischen Roms. Sie hat Goethe porträtiert und war mit ihm befreundet als Goethe in Rom war. Aber auch den jungen Kronprinzen Ludwig, den späteren Ludwig I. von Bayern, der in Rom eine Villa in der Nähe ihrer Wohnung hatte, hat sie porträtiert. Sie hat so die Größten ihrer Zeit porträtiert und war eine geschätzte Malerin im päpstlichen Rom. Sie war eine Frau, und da ist das ja etwas Ungewöhnliches eigentlich.
Domradio: Und auch auf sie gehen Sie in Ihrem neuen Buch zu den Deutschen in Rom ein. Und da laden Sie auch zu Spaziergängen durch die Ewige Stadt ein, wo man diese Spuren eben ein bisschen nachvollziehen kann. Würden Sie sagen, dass wir heute im Jahr 2020 daraus auch für Europa, für die europäische Idee etwas lernen können?
Jörg Ernesti: Für mich ist es eine persönliche Lebenssuche, da ich auch lange in Italien gelebt habe. Und bin eigentlich ganz erstaunt gewesen, wie stark die deutsche Präsenz in Rom doch tatsächlich ist, mit deutschen Kirchen, protestantischen, katholischen Kirchen, mit deutschen Forschungsinstituten, mit deutschen Gelehrten und Künstlern, die in Rom ihre Spuren hinterlassen haben. Also, all das ist doch Zeichen eines starken Austausches der Kulturen und zwar der deutschen Kultur und der italienischen Kultur. Ich denke, die italienische Kultur hat ungemein profitiert von dieser Präsenz. Eigentlich hat sie von Deutschen in Rom und umgekehrt profitiert, denke ich.
Was wären wir Deutsche eigentlich ohne die Einflüsse der italienischen Kultur? Also, da kann man in dieser Stadt und im Fokus dieser Stadt ablesen, wie kultureller Austausch funktioniert und wie sich Kulturen gegenseitig befruchten können. Das hat nicht immer geglückt. Auch das wird deutlich in dem Band. Also in Rom sind ja auch Spuren hinterlassen, die nicht ganz so erfreulich sind. Die Deutschen haben, als sie Rom besetzt haben, ja auch eher unglückliche Spuren hinterlassen. Das berüchtigte Massaker in den ?Fosse Ardeatine“ ist so ein Beispiel dafür. Das alte SS- Gefängnis in Rom, das man auch besichtigen kann, ist ein Beispiel dafür, dass dieser Austausch auch nicht immer ganz störungsfrei war z wischen deutscher und italienischer Kultur.
Jörg Ernesti ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Augsburg und passionierter Rom-Fan. Gerade ist sein neues Buch: ?Deutsche Spuren in Rom“ beim Herder-Verlag erschienen. Darin lädt er zu Spaziergängen durch die Ewige Stadt ein. Vielen Dank, dass Sie einige Gedanken hier mit uns schon geteilt haben.
(domradio – mg)
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