D: Hilfswerk missio macht mobil gegen Missbrauch an Ordensfrauen
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Missio führte die nicht repräsentative Erhebung bei 38 kirchlichen Partnerorganisationen in drei Kontinenten durch und war vom Rücklauf überrascht. 101 ausgefüllte Fragebögen seien eingetroffen, gerechnet habe man mit zehn bis 15. ?Zwei Drittel der Befragten schätzen das Thema Missbrauch an Ordensfrauen als wichtig bis sehr wichtig ein - das war ein ganz wichtiges Zeichen für missio“, resümierte Josephine Beck-Engelberg, Fachfrau für Organisationsentwicklung in der Entwicklungszusammenarbeit und externe Begleiterin der Erhebung bei missio. Der Fragebogen bezog sich auf Missbrauch im physischen, psychischen und spirituellen Sinn, allerdings ließen die Rückläufe Beck-Engelberg zufolge darauf schließen, dass die Befragten meist sexuellen Missbrauch meinten, der wiederum überwiegend in der Konstellation Ordensfrau – Priester stattfand.
Missio wollte bei der Erhebung von den Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien auch wissen, an welchen Herausforderungen man arbeiten müsse, um Missbrauch an Ordensfrauen zu bekämpfen. Überwiegend kam die Antwort: ?Das Hauptproblem ist Klerikalismus und die Machtstrukturen“, referierte Josephine Beck-Engelberg. ?Dazu kommen Angst, Scham und Unwissenheit und die Bereitschaft der Ordensschwestern, sich kulturell und religiös den männlichen Vorgesetzen, Oberen, Priestern oder Bischöfen unterzuordnen.“
Die Erhebung werde die Arbeit des Hilfswerks ändern, sagte Pfarrer Dirk Bingener, Präsident von missio Aachen. In Gründung sei ein neues, abteilungsübergreifendes Koordinationsbüro für das Thema Missbrauch an Ordensfrauen. ?Wir werden auch in Rom und in der Weltkirche – bei den 120 Missionswerken – Missbrauch an Ordensfrauen zum Thema machen“, versicherte der Geistliche. Papst Franziskus habe 2019 öffentlich eingeräumt, dass das Thema im Vatikan bekannt sei. Damit sei es aber noch nicht getan. ?Dass es vom Vatikan aus einen Impuls gibt, auf die jweiligen Länder zu schauen und diese Umfrage als Vorbild zu nehmen und das auch kirchenamtlich mit initiiert, das hielte ich für einen wichtigen Schritt. Das ist ein wichtiger konkreter Vorschlag, dass man sagt: Ihr müsst auf die jeweiligen Länder schauen und von Rom aus deutlich machen, dass das Thema auf der Agenda steht und dass man gemeinsam auf der Suche nach dem nächsten Schritt ist: Das würde ich mir auch aus Rom wünschen.“
?Wir stellen fest, dass die Ent-Tabuisierung erstaunliche Geschwindigkeit aufgenommen hat“, fügte Frank Kraus als Leiter der missio-Abteilung Ausland hinzu. Bei einer Vatikan-Konferenz zum Thema Kindesmissbrauch vergangenen Oktober sei unvermittelt und stark das Thema Missbrauch an Ordensfrauen im Raum gestanden. ?Da sind Ordensfrauen tatsächlich vor Leuten, vor denen die sonst vielleicht nichts sagen, relativ flächendeckend aufgestanden und haben gesagt, so wie ihr uns behandelt geht es nicht mehr. Wir stellen seit dieser Konferenz im Vatikan, wenn wir Bischöfe treffen, zumindest die Frage, wie kann ich reagieren.“ Sowohl bei Ordensschwestern wie auch bei priesterlichen und bischöflichen Verantwortungsträgern sei die Sensibilität für das Thema Machtmissbrauch gegenüber Frauen gewachsen. ?Es gibt immer noch die Leugner“, sagte Kraus, aber mehr und mehr Frauen äußerten sich offen darüber, ?und die sind jetzt nicht mehr zum Schweigen zu bringen.“
Besonders viele der Antworten hätten von ?Diskriminierung von Ordensfrauen und Stigmatisierung von Opfern“ gesprochen und von ?patriarchalischen Machtstrukturen und Klerikalismus", hieß es bei der Vorstellung der Umfrage. Auch von ?Verleugnung und Vertuschung“ durch Kirchenobere sei oft die Rede gewesen. Zu den Gründen, warum Ordensfrauen zu Missbrauchsopfern werden, gehöre auch ihre Armut. Beck-Engelberg: ?In den Zitaten kam heraus, dass viele Schwestern kein Geld haben für Telefonate, Handynutzung, öffentlichen Transport. Sie sind zum Beispiel darauf angewiesen, im Auto von Priestern mitzufahren. Die Mittellosigkeit ist ein Problem, was diese Schwerstern in eine extrem vulnerable Situation bringt.“
Die am häufigsten geäußerte Empfehlung der Partnerorganisationen bezog sich darauf, die betroffenen Ordensfrauen moralisch und spirituell zu unterstützen: ?Etwas sehr Einfaches, aber es scheint ihnen bisher verwehrt zu werden“, so die Expertin. Auch Therapie, Entschädigung der Opfer und Rechenschaftspflicht der Kirche sei oft genannt worden. Bei der Frage, wie Missbrauch an Ordensfrauen in Zukunft präventiv verhindert werden kann, spielt nach Einschätzung der Befragten in der Weltkirche die Frage der Fortbildung und der Ermächtigung von Schwestern die größte Rolle. Es gehe aber auch um die ?Förderung der Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche“ und um gerechte Arbeits- und Vergütungsbedingungen. Ordensfrauen seien ?oft kostenlose Hilfskräfte, Putzkräfte von Priestern“, resümierte Josephine Beck-Engelberg Antworten aus der Umfrage.
Missio plant, noch mehr Ressourcen in die Ausbildung von kirchlichen Fach- und Führungskräften im globalen Süden zu stecken, um Missbrauch von Ordensfrauen zu bekämpfen. Universitäten, Theologinnen und Anwältinnen spielten eine große Rolle. ?Wir sind dankbar, wenn Orden sich bereit erklären, Schwestern freizustellen für eine solche Qualifikation“, betonte Katja Heidemanns, Missionswissenschaftlerin und Leiterin der missio-Spendenabteilung. Sie erwähnte das Beispiel einer Ordensfrau aus Burkina Faso, Epiboué Marguerite Bakorba, die als erste Schwester ihrer Kongregation promovierte, ihr kirchenrechtliches Thema lautete: ?Das Recht auf den guten Ruf und die Privatsphäre in der Ausbildung und dem Leben von Ordensleuten“. ?Es wird einen großen Unterschied machen, ob eine Schwester mit dieser Qualifikation, sie wird dann auch am Seminar unterrichten, als Gesprächspartnerin im Orden zur Verfügung steht oder nicht“, so Heidemanns. ?Das zu ermöglichen, ist unsere Chance, langfristige Veränderungen zu bewirken. Die Veränderung selbst muss von unten kommen. Unser Ziel ist es, dass Frauen wie Schwester Bakorba als Expertinnen für Prävention und Arbeit gegen Missbrauch und als Multiplikatorinnen langfristig das Bewusstsein in ihrer Ortskirche verändern.“
(vatican news)
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