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Christenverfolgung in Kandhamal - vor zehn Jahren Christenverfolgung in Kandhamal - vor zehn Jahren 

Missio-Pr?sident Kr?mer: Christenverfolgung nimmt enorm zu

Christen stehen in der Welt unter gro?er Bedr?ngnis: In Nigeria wütet die Terrorgruppe Boko Haram, in Nicaragua greifen paramilit?rische Truppen Kirchenleute an, in Indien bedr?ngen hindu-nationalistisische Bewegungen die Christen. Im Interview mit Pope ordnet Missio-Pr?sident Klaus Kr?mer die Situation der Christen heutzutage ein. Hilfswerke und die Kirche müssten für den interreligi?sen Dialog k?mpfen, mit politischen Verantwortungstr?gern sprechen - und für Christen in Not beten.

Bernadette Weimer - Vatikanstadt

Pope: Herr Prälat Krämer, Wie schätzen Sie die Situation der Christen weltweit im Jahr 2018 ein?

Prälat Klaus Krämer: ?Die Verletzungen der Religionsfreiheit haben in den letzten Jahren enorm zugenommen. Wir gehen davon aus, dass in über hundert Ländern in irgendeiner Form Religionsfreiheit verletzt wird. Die größte Gruppe, die davon betroffen ist, sind die Christen, auch weil sie die größte Religionsgemeinschaft ist.. Das ist ein ernstes, aktuelles Problem, das in diesen Jahren an Bedeutung und Dramatik zunimmt."

Pope: Wie muss man sich das Leben eines Christen vorstellen, der unter Verfolgung leidet?

Prälat Krämer: ?Verfolgung ist ein sehr genereller Begriff und die Formen der Verletzung von Religionsfreiheit von Christen sind vielfältig. Das beginnt mit Verfolgungssituationen, wie wir sie am intensivsten in den letzten Jahren im Nahen Osten erlebt haben, im Nordirak in der Ninive-Ebene, wo durch den Islamischen Staat Christen, Jesiden und viele muslimische Gruppen verfolgt wurden und Gefahr für Leib und Leben bestand. Viele mussten das Land verlassen, um überhaupt überleben zu können. Es gibt vielfältige Formen von Schikanen, die gegenüber Christen oder den verantwortlichen Kirchenvertretern ausgeübt werden. Oftmals werden administrative Hürden aufgebaut, wenn es beispielsweise darum geht, Grund zu erwerben oder Kirchen zu bauen. Verfolgung kann bedeuten, dass Christen benachteiligt werden, dass sie als Bürger zweiter Klasse behandelt werden. Dies ist der Fall, wenn ihre Kinder nicht dieselben Ausbildungs- und Aufstiegschancen wie die anderen haben, wenn sie bestimme Berufe - etwa im Bereich der öffentlichen Verwaltung - überhaupt nicht ergreifen können.

Hier zum Nachhören

Christliche Blogger in Vietnam landen im Gefängnis

 

So gibt es eine Vielfalt von Verletzungen und Diskriminierungen, bis hin zur Gefahr, wegen diverser Aktivitäten ins Gefängnis zu kommen: In Vietnam gibt es immer wieder christliche Blogger, die ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen und auch religiöse Inhalte damit vermitteln. Immer wieder landen sie dafür dann im Gefängnis. Das sind nur einige Beispiele. Die Formen von Verletzung, Verfolgung und Bedrängnis für Christen sind sehr verschieden und vielfältig."

Pope: Die Organisation ?Open Doors“ hat, wie jedes Jahr, einen Weltverfolgungsindex aufgestellt. Demnach sind im Jahr 2018 etwa 200 Millionen Christen einem hohen Verfolgungsdruck ausgesetzt. Wie belastbar sind die Zahlen – gerade vor dem Hintergrund, dass missio keine Zahlen erhebt?

Prälat Krämer: ?Open Doors hat die Zahlen vom vergangenen Jahr von 100 Millionen auf 200 Millionen erhöht. Das ist ein großer, nur schwer nachvollziehbarer Sprung und zeigt, wie schwierig es ist, diese Dinge überhaupt zu quantifizieren. Das hängt zu einem mit der hohen Komplexität der Fragestellung zusammen, zum anderen aber auch damit, dass wir in die Situation der Länder meist nur ganz schwer hineinschauen können. Religiöse Konflikte sind oft verwoben mit ethnischen und sozialen Auseinandersetzungen. Es gibt viele Grenzfälle, sodass eine Kriteriologie, um belastbare Zahlen erheben zu können, ungeheuer schwierig ist. Deswegen sind wir mit den meisten seriösen Akteuren in diesem Bereich der Meinung, dass es besser ist, auf Zahlen zu verzichten, und stattdessen konkrete Verfolgungssituationen zu benennen. In dieser Einschätzung haben wir auch den Sonderberichterstatter der UN für Religionsfreiheit auf unserer Seite. Darum hat sich missio für eine andere Herangehensweise an dieses sensible Thema entschieden: Wir erstellen differenzierte Länderberichte, in denen sehr genau beschrieben wird, wie die rechtliche und soziale Situation in dem jeweiligen Land ist und worin die konkreten Verfolgungs- und Diskriminierungssituationen bestehen. Diese Berichte stellen wir der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung, sie werden auch von der Politik und von Gerichten nachgefragt. Unser Weg ist ein qualitativer Zugang, der versucht die Phänomene möglichst genau zu beschreiben.

Pope: Auch wenn die Zahlen nicht verlässlich sind: Christen gelten als die proportional am meisten verfolgte Religion weltweit. Woran macht man das fest?

Prälat Krämer: ?Einschränkungen der Religionsfreiheit gehen häufig vom Staat selber aus – vor allem in autoritären Systemen kann die Religion oft nicht frei ausgeübt werden, die Kirche wird überwacht und reglementiert. Das kann bis zu willkürlichen Verhaftungen und Gefängnisstrafen führen. Es gibt auch die Konstellation, dass vor allem nationalistische Strömungen die Kultur ihres Landes mit einer bestimmten Religion identifizieren und dadurch andere Religionen extrem unter Druck bringen.

Manchmal unterstützt sogar der Staat extremistische Gruppen 

 

Vor genau zehn Jahren, am 25. August 2008, gab es im indischen Bundesstaat Odisha große Ausschreitungen von nationalistisch fanatisierten Hindus gegen Christen und Muslime. Auch in Myanmar haben wir das Problem, dass dort von buddhistischer Seite der Anspruch erhoben wird, nur der Buddhismus sei Träger und legitimer Ausdruck der Kultur Myanmars. Alle anderen religiösen Gruppen, wie etwa die muslimisch geprägten Rohingyas, werden dadurch benachteiligt und verfolgt. Eine dritte Form der Verletzung von Religionsfreiheit geht von fundamentalistischen Gruppen aus, die in einzelnen Ländern agieren. Das sind zum großen Teil islamistischen Gruppen. Aber auch in anderen Religionen gibt es fundamentalistische Gruppen, die sehr intolerant auftreten, Gewalt ausüben und Attentate begehen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, inwieweit der Staat diese Gruppen unterstützt oder sie zumindest gewähren lässt. Das sind dann Formen der Verfolgung die sehr prekär werden können."

Pope: Gibt es einen Brennpunkt, einen Ort, wo es für die Christen besonders gefährlich ist?

Prälat Krämer: ?Man muss leider sagen, dass sich Bedrängungssituationen von Christen auf die ganze Welt verteilen. Wir können nicht von einem Zentrum ausgehen. In den letzten Jahren haben sich die Dinge besonders auf den Nahen Osten konzentriert, insbesondere durch den Islamischen Staat, der in besonderer Weise durch Gewalt und Verfolgung auffällt. Leider ist die Verletzung von Religionsfreiheit aber ein globales Phänomen, das wir in fast allen Regionen und Kulturen in verschiedenen Formen antreffen."

Pope: Aus der Ferne zu uns nach Deutschland: Das Bundeskriminalamt hat im vergangenen Jahr rund 100 Angriffe verzeichnet, die sich gezielt gegen Christen richteten. Nimmt Gewalt gegen Christen auch in Deutschland zu?

Prälat Krämer: ?Man darf hier die Proportionen nicht aus dem Blick verlieren. Wir leben in Deutschland in einem Land, in dem die Religionsfreiheit mit am besten gewährleistet ist. Wir haben eine gewachsene Kultur der Toleranz, die allerdings in Gefahr ist. Das kann man an den beunruhigenden Hinweisen auf Verletzungen der Religionsfreiheit erkennen.

Religion nicht für politische Zwecke instrumentalisieren 

 

Ich denke da zum Beispiel auch an antisemitische Übergriffe, bei denen das Tragen einer Kippa zum auslösenden Moment für Angriffe wurde. Das sind alles Anzeichen dafür, dass eine Kultur sich auch negativ verändern kann. Wir müssen sehr achtsam sein, damit Intoleranz gegenüber anderen Religionen nicht zunimmt. Dies wäre ein Nährboden, der Verfolgungssituationen fördert und der sich am Ende auch gegen Christen wenden kann. Vor allem darf Religion nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Das zerstört die Kultur der Toleranz, die wir brauchen, damit verschiedene Religionen friedlich zusammenleben können."

Pope: Wie kann die Kirche eine positive Entwicklung für die Christen auf der Welt fördern?

Prälat Krämer: ?Wir müssen auf ganz verschiedenen Ebenen ansetzen, um hier zu agieren. Eine Ebene ist die politische. Wir müssen mit den politischen Verantwortungsträgern in Kontakt bleiben und immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig es ist, sich weltweit für das Grundrecht der Religionsfreiheit einzusetzen. Das tun wir auch durch die Kontakte, die wir mit der Regierung haben, mit dem Bundeskanzleramt, mit dem Außenministerium und mit vielen Parlamentariern im Bundestag. Durch die Bereitstellung von Informationen, aber auch durch die Vermittlung von Gesprächen mit unseren Partnern, die über die Situation in ihrem Land authentisch berichten, entsteht ein differenzierteres Bild der Lage in den einzelnen Ländern.

Interreligiöser Dialgo unter den Menschen fördern 

 

Ein anderer Punkt ist, dass wir als Hilfswerk den Christen, die in Notsituationen sind, solidarisch zur Seite stehen. In der Ninive-Ebene helfen wir beispielsweise zusammen mit anderen kirchlichen Hilfswerken beim Wiederaufbau, nachdem die Kriegshandlungen dort beendet sind. Jetzt kann die Wiederansiedlung von Christen in dieser Region stattfinden. Es ist vor allem der interreligiöse Dialog, der von unseren Partnern selbst in den Regionen gesucht wird. Wir unterstützen sie darin, Dialogzentren aufzubauen, wo Menschen für den Dialog geschult werden, wo sie erfahren, was andere Religionen ausmacht und wie man in konkreten Konflikten agieren kann.

Nicht zuletzt ist für uns Christen das Gebet wichtig. Wir nehmen die Not der Christen in anderen Ländern ins Gebet und machen in unseren Gottesdiensten darauf aufmerksam. Ich spüre immer wieder im Gespräch mit unseren Partnern, dass ihnen dieser Punkt besonders wichtig ist. Das Gebet ist eine Form der Solidarität, die sehr tief geht, weil es uns in der Mitte unserer christlichen Identität zueinander führt. Darin liegt eine große Kraft gerade für bedrängte Christen, in ihrer schwierigen Situationen durchzuhalten."

 

(vatican news)

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24. August 2018, 13:52