Deutsche Botschafterin nimmt Abschied: Franziskus als Fels in der Brandung
Pope: Frau Schavan, Sie sind eine Botschafterin, die dem Papst im Vergleich zu anderen Botschaftern am Vatikan überdurchschnittlich oft begegnet ist; und man könnte wohl sagen, dass Sie sich mit ihm auch in vielen Dingen auf einer Wellenlänge befunden haben. An diesem Dienstag haben Sie sich nun verabschiedet. Was hat Papst Franziskus Ihnen bei dieser letzten Unterredung im Amt mitgegeben?
Schavan: Er hat mir seinen Segen mitgeben. Er hat mir einen freudigen Blick auf die italienische Ausgabe meines Buches - Gott der erneuert - geschenkt. Und das ist eigentlich auch immer das Thema zwischen uns gewesen. Was das bedeutet: Erneuerung. Dass ich das als eine wirkliche, ernsthafte Anfrage an die Christen empfinde, zu überprüfen, wie unsere Paradigmen, unsere Vorstellungen, unsere Zukunftsbilder in Kirche und Welt sind. Da habe ich mich sehr angesprochen gefühlt.
Pope: Aktuell ist der Streit in der katholischen Kirche Deutschlands um die Kommunion für nicht-katholische Ehepartner in einer sehr heißen Phase. Wie stehen Sie dazu?
Schavan: Nun da scheint es wohl weniger um Erneuerung zu gehen als darum, das man das, was das Kirchenrecht schon beschreibt nun auch handhabbar macht, ermutigt, Wege geht, die noch stärker zeigen: Wir sind keine Kirche, die ausschließt. Mir schien es ein bisschen, dass dieses Thema eher so eine Geschichte war, in der es um die Klärung von Dialogkultur in der Deutschen Bischofskonferenz geht.
Pope: Und was glauben Sie, wird dabei herauskommen, also das was Papst Franziskus gesagt hat auf der fliegenden Bischofskonferenz letzten Donnerstag?
Tradition guter Beziehungen
Pope: Rückschau auf vier Jahre im Amt: Was haben Sie zu Beginn ihrer Amtszeit als Ihre wichtigste Aufgabe als Botschafterin der Bundesrepublik am Vatikan angesehen? Und hat sich diese Einschätzung im Lauf der Zeit geändert?
Aber ich habe vor allem gelernt, jetzt diese Weltkirche auch wahrzunehmen - eben nicht als so ein monolithisches Gebilde - katholische Welt, katholische Kirche auf fünf Kontinenten präsent - ist ein Gebilde, ist eine Organisation, die für die jetzt globale Welt mit all ihrer Zerbrechlichkeit enorm viel bedeuten kann, weil sie Erfahrung mit Inkulturation hat, weil sie Erfahrung hat, wie das ist, wenn man mit einer bestimmten Überzeugung in eine Kultur hineingeht.
Pope: Was für einen Ruf genießt der Papst unter dem Diplomatischen Korps? Sehen die Diplomaten eher den Realpolitiker – wenn auch nicht im klassischen Sinn - , oder halten sie die Vorstöße des Papstes für illusorisch und nicht vermittelbar? Oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen?
Schavan: Nun mit dem diplomatischen Corps ist es wie mit jeder Gruppe, da wird es Nuancen in den Einstellungen geben - aber das sind ja alles Diplomaten – und Diplomaten sind Diplomaten. Von daher ist der Grundduktus natürlich der einer großen Zustimmung, einer Hoffnung in vielen Ländern, denn über innerkirchliche Fragen, über Glaubensfragen und damit verbundene Positionen des Papstes mögen ja auch Christen unterschiedlicher Meinung sein, das ist ja immer so gewesen, und das wird sich auch bei keinem Papst ändern aber mein Eindruck ist: Ganz unbestritten ist für Alle in der Situation der Welt, wie sie jetzt ist, egal in welche Region wir schauen, so stark geprägt von Transformationsprozessen, von viel Verunsicherung, die mit jedem Transformationsprozess verbunden ist, der vielen Gewalt, Terror, den vielen Konflikten wirkt Papst Franziskus wie der Fels in der Brandung – und so wird er auch wahrgenommen im diplomatischen Corps.
Pope: Wo hatten Sie selbst vielleicht einmal Schwierigkeiten, zu vermitteln, was der Papst eigentlich will?
Schavan: Nein, es war insofern eine wirklich gute Zeit, weil es ja eine Situation in Deutschland gab, und gibt, im Blick auf die Aufnahme von Flüchtlingen, da gibt es jetzt gerade zwar heiße Debatten, aber es gab und gib eine Grundentscheidung und darüber gab und gibt es zwischen Heiligem Stuhl und der Regierung in Deutschland natürlich einen sehr positiven Dialog. Und von daher hatte ich es was die Vermittlung angeht ziemlich leicht.
Pope: Hatten Sie die Gelegenheit mit dem Heiligen Vater über die Situation der Bundesregierung aktuell zu sprechen ?
Schavan: Ja.
Pope: Und?
Schavan: Diplomat.
Größter Erfolg: Diplomatische Beziehungen Malteserorden
Pope: Was würden Sie als Ihren größten Erfolg in den vier Jahren ihrer Amtszeit in Rom bezeichnen? Wie würden Sie Ihre Amtszeit charakterisieren?
Schavan: Ich habe im Abschiedsbrief auch an einige Mitglieder der Kurie von einem Dienst gesprochen, den ich vier Jahre getan habe, so habe ich das verstanden. Und worüber ich mich besonders freue, ist dass es gelungen ist, in diesen vier Jahren die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Orden der Malteser und der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen. Das lag mir schon ziemlich am Herzen. Und da war mir wichtig, auch deutlich zu machen in Deutschland, da geht es nicht um irgendeinen obskuren Orden in roten Uniformen, sondern da geht es um eine ganz starke international tätigen Orden gerade im Dienst der Flüchtlinge des Themas Migration Integration also ein wichtiger Partner aus der Zivilgesellschaft das gehört zu den Dingen, die ich als richtig gelungen empfinde.
Pope: Und was war die größte Enttäuschung?
Schavan: Die vier Jahre waren eine enttäuschungsfreie Zone.
Pope: Was ist denn eigentlich das Besondere an der Vatikandiplomatie?
Schavan: Das Besondere ist: Das Gegenüber ist kein Staat nicht eine bestimmte Kultur, sondern ein Gebilde, eine Organisation, eine große Glaubensgemeinschaft, die international auf allen fünf Kontinenten präsent ist, das macht den Reichtum der Beziehungen aus. Dass also die Botschaften auch enorm viel mitbekommen was überall in den unterschiedlichen Regionen der Welt sich entwickelt. Ich habe – bevor ich meine Aufgabe als Botschafterin begonnen habe mal gesagt nirgends gibt es so viel Wissen über Gott und Welt und nach den vier Jahren sage ich: Es stimmt tatsächlich!
Pope: Wie haben Sie die Besonderheit erlebt, dass wir im Vatikan gleichzeitig einen amtierenden und einen emeritierten Papst haben, von denen der eine ja auch noch Deutscher ist?
Schavan: Nun ich habe auch einen Abschiedsbesuch beim emeritierten Papst machen können. Und es ist ja für die Geschichte der Kirche schon auch etwas Besonderes, ich empfinde es in gewisser Hinsicht auch als Glücksfall, zwei Päpste nacheinander bei denen der eine sich ganz stark beschäftigt hat mit der Situation in der Kirche - aus seinem theologischen Leben heraus aber auch – was ja heute manchmal übersehen wird auch Vieles, viele Weichen schon vorbereitet hat vieles auf den Weg gebracht hat, wo nun auch Früchte geerntet werden können. Ich habe es also nie so empfunden, dass diese beiden Päpste gegeneinander gestellt werden können.
Pope: Wie haben Sie den emeritierten Papst Benedikt erlebt? Wie ging es ihm?
Pope: Sie haben durch ihre vielleicht manchmal im diplomatischen Sinn unkonventionelle Herangehensweise die Deutsche Vatikanbotschaft auch nach außen sichtbarer - und zu einem beliebten Treffpunkt für Hintergrundgespräche, Veranstaltungen und politische Diskussionsrunden - auch als Vertiefung zu den ?klassischen“, aber ?unbequemen“ Papstthemen wie Migration, Ökologie und Frauen - gemacht. Was würden Sie Ihrem Nachfolger, Michael Koch, gerne ans Herz legen für seine Amtszeit als Vatikanbotschafter?
Schavan: In einem Satz formuliert: Möglich machen, was unmöglich scheint.
Pope: Jetzt einmal größer und ins Persönliche gefragt, was nehmen Sie aus den vier Jahren Rom mit zurück nach Ulm?
Schavan: Eine große Ermutigung – für mich ist das eine ermutigende Lebensphase gewesen auch im Blick auf manches was mir vorher theologisch durch den Kopf gegangen ist. Wenn Sie so wollen in einem Satz gesagt: Ich habe den roten Faden was die Theologie angeht gefunden. Und das ist etwas sehr Kostbares.
Pope: Werden Sie unseren Hörern und Lesern verraten, was Sie nun konkret in der nächsten Zukunft vorhaben?
(vatican news - ck)
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